"Mal der König, dann wieder der Prügelknabe"
München - Seit Wochen wirkt er angespannt. Die Gesprächspartner von Peter Cassalette sehen den Löwen-Präsidenten in diesen Tagen nur noch selten lächeln. Der 62-Jährige hat vielmehr etwas von einem angestrengten Diplomaten, der an allen Ecken und Enden versucht, die Wogen zu glätten. Früher erzählte er gerne davon, wie er als kleiner Bub im Grünwalder Stadion am Spielfeldrand saß, den Meister-Löwen zujubelte.
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Jetzt erlebt diese Liebschaft eine Beziehungskrise. Bei der Mitgliederversammlung bestätigten ihn nur 59,4 Prozent der Stimmberechtigten in seinem Amt. Beim 1:0 gegen den BVB richtete sich der Protest einzelner Fangruppierungen gegen ihn. Was reimt sich auf Cassalette? Marionette!, war auf einem Transparent zu lesen, und auf einem anderen: "Hier rollen mehr Köpfe als bei Game of Thrones!" Das ist die blutrünstige Fantasy-Serie, bei der nahezu alle Protagonisten irgendwann das Zeitliche segnen.
"Bei uns war der Präsident schon immer an allem schuld"
Doch warum sieht sich der Oberlöwe mit dieser Kritik konfrontiert? Er selber wollte sich auf Nachfrage nicht äußern. Die AZ hakte bei Fanvertretern nach. Es sind ja gerade und vor allem die Ultras, die den Vereinsboss kritisieren. Ein Kritikpunkt dabei: die unvermittelte Trennung vom einstigen Sportchef Oliver Kreuzer. "Schon bei der Mitgliederversammlung muss ihm die Trennung von Kreuzer bekannt gewesen sein", glaubt etwa Ernst Schmid, Vorsitzender des Fanklubs "Illmtal-Löwen Pfaffenhofen". Und weiter: "Ich gehe davon aus, dass er nicht gewählt worden wäre, wäre bekannt gewesen, dass Kreuzer gehen muss."
Besagte Versammlung war am 19. Juni, drei Tage später war Kreuzer seinen Job los. Eine Begründung für den Rausschmiss folgte nie. "Man müsste die Hintergründe kennen, die werden aber nicht bekanntgegeben", sagt Schmid. Für ihn war Kreuzer ein besonnener Typ, die vom 50-Jährigen verpflichteten Spieler hätten fast alle eingeschlagen. Bestes Beispiel: Levent Aycicek. Der schoss das Siegtor gegen den BVB. Manche Fangruppierung würde zudem das Engagement von Investor Hasan Ismaik ablehnen, schildert Schmid. Cassalette wird Geschick im Umgang mit Ismaik nachgesagt.
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Gerade die Ultras interpretieren diese Investor-Nähe eher als Aufgabe der Selbstbestimmung. "Es kommt auch mir so vor, wie wenn er (Cassalette, d. Red.) aus Abu Dhabi gesteuert würde", sagt Manfred Hartinger, Vorsitzender des TSV 1860-Fanklubs "Freising Lerchenfeld e.V.", der AZ. Der Klub hätte die Trennung von Kreuzer "anders lösen können. Das kreide ich dem Cassalette an." Seit Cassalette Präsident sei, würde sich der Investor hingegen mehr für den Verein einsetzen, sagt er, auch in die Mannschaft investieren.
"Cassalette kann nicht alleine handeln. Dabei verkennt man, dass der, der das Geld bereitstellt, das Sagen hat", sagt Edel-Fan Franz Hell: "Die Vorbehalte gegen den Investor gab’s immer. Es gibt viele, die lieber in die 3. Liga gehen würden und einen Neuaufbau wollen. Das sind Romantiker, die sich immer noch vorstellen, dass es wie vor 20 Jahren funktioniert." Dass einzelne zu sehr in Romantik schwelgen, meint auch Hartinger, "wie mit dem Grünwalder Stadion, das ist nicht mehr zeitgemäß". Doch die Stadionfrage schlägt Cassalette als Fan-Wut entgegen. "Bei uns war der Präsident schon immer an allem schuld", erzählt Hell. "Ein undankbarer Job. Hat man Erfolg, ist man der König, hat man den Erfolg nicht, ist man der Prügelknabe."
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