Ismaik: "Politik statt Sportverein!"
München - Am Freitag verschickten die Löwen zwei Pressemitteilungen. Eine betraf das sportliche Geschehen: den Trainingsauftakt und die neuen Trikots. Es sollte aber die andere sein, die es in sich hatte und den unerbittlichen Machtkampf zwischen Verein und Investor Hasan Ismaik weiter befeuerte: Die Mitgliederversammlung ist abgesagt. In der von Löwen-Präsidium, Verwaltungsrat und dem Wahlausschuss gemeinsam unterzeichneten Pressemitteilung bestätigte der TSV 1860 am Freitagmittag die Absage der für Sonntag geplanten Veranstaltung in der Tonhalle.
„Aus Sicht der Vereinsführung ist es in der aktuellen Lage nicht sinnvoll, die Mitgliederversammlung am Sonntag wie geplant abzuhalten“, schrieben die Löwen, denn es sei „jeder weitere Tag, an dem wir noch verhandeln können, wertvoll und im Sinne der Mannschaft und des Vereins.“ Ein Ausweichtermin ist noch nicht bekannt, kann laut Satzung aber frühestens zwei Wochen nach einer (erneuten) Einladung an die 1860-Mitglieder stattfinden. Zeit also für Ober-Löwe Gerhard Mayrhofer und Co., den Fans bis dahin eine Lösung zu präsentieren – für den Präsidenten (der abgewählt werden könnte) und auch die aktuelle Besetzung des Verwaltungsrats (der neu gewählt wird) wäre es ohne Lösung womöglich eng geworden am Sonntag.
Mitgliederversammlung abgesagt: Löwen verhandeln "mit vollem Einsatz"
Ismaik wiederum hatte mit seiner Aussage, erst einmal abwarten zu wollen, womöglich auf eine Abwahl spekuliert, um künftig Gesellschaftern gegenüber zu sitzen, die ihm mehr Nächstenliebe entgegenbringen. Oder will er einfach nur den Preis für seine Anteile in die Höhe treiben, bevor er sie endgültig abstößt und den Weg für Felix Magath plus noch unbekannte Investoren frei macht?
Prompt erreichte die AZ eine angriffslustige Stellungnahme von Noor Basha, dem Statthalter des Investors: „Völlig unabhängig davon, ob Hasan Ismaik Angebote erhalten hat oder nicht – seine Einstellung ist nach wie vor die selbe, die er auch mehrfach äußerte“, so Basha im Namen seines Cousins. Heißt: Der Jordanier bleibt stur. Und ist wütend. „Die Tatsache, dass diese Gerüchte mit der Mitgliederversammlung des e.V. hier mit dem aktuellen Geschehen vermischt wird, ist für Hasan Ismaik mehr als unverständlich und inakzeptabel. Er als Mitglied und Fan fordert, dass die Mitgliederversammlung am Sonntag wie geplant stattfindet“, ist der Stellungnahme zu entnehmen. Ismaik hat freilich als Gesellschafter der ausgegliederten Fußball-Abteilung auf diese Entscheidung des Gesamtvereins keinen Einfluss.
Damit ist noch längst nicht alles gesagt: Ismaik lässt ausrichten, dass genau solche Machtkämpfe schon vor seinem Einstieg 2011 und somit der Rettung vor der Insolvenz zum immerwährenden Löwen-Chaos geführt hätten: „Er sieht in der jetzigen Situation auch die Gründe dafür, warum es schon vor seiner Zeit bei diesen Verein nicht funktioniert hatte. Politik wird über Sport gestellt. Politik statt Sportverein. Außerdem ist diese Situation für alle Fans, Mitarbeiter und speziell für Torsten Fröhling respektlos und inakzeptabel.“
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Es stimmt, dass der Machtkampf mittlerweile auf dem Rücken von Spielern und Mitarbeitern ausgetragen wird – wie Trainer Fröhling, der wie Sportchef Gerhard Poschner zwar seit Tagen weiß, dass er wohl gehen muss, aber keine Klarheit erhält. Es lässt sich aber auch nicht leugnen, dass der Investor selbst einen der beiden Streithähne gibt, die sich da bekriegen. Der andere, nämlich die Führungsriege des Vereins, wollte sich dazu auf AZ-Anfrage übrigens nicht äußern. Kein Wunder, dass auch die Fans sauer sind. Sie hatten sich am Sonntag endlich Aufklärung erhofft: Gibt es tatsächlich neue Investoren? Und die alles entscheidende Frage: Kommt Magath?
Franz Hell, einer der Initiatoren des Protestmarschs gegen Poschner und langjähriger Löwen-Fan, ist unentschlossen: „Da wohnen zwei Seelen in meiner Brust. Einerseits stehen da Wahlen auf dem Programm, die den e.V. betreffen. Andererseits ist es vielleicht ganz gut, dass die Versammlung abgesagt wurde. Weil sich alles natürlich um den Machtkampf drehen würde. Weil jedes Mitglied endlich wissen will, was los ist. Keiner weiß, wer Trainer ist, wer Sportchef ist und welche Spieler überhaupt auf dem Platz stehen werden. Wenn wenigstens eine vernünftige Informationspolitik da wäre. Die Stimmung heizt sich immer mehr auf. Ich kann jeden Fan verstehen, der sich fragt: Wo sind wir hier eigentlich?“ Ein solcher ist Ernst Schmid vom Fanklub „Ilmtal-Löwen Pfaffenhofen“: "Das ist eine Katastrophe hoch drei und typisch Sechzig! Ich war so froh, dass diese Wahl ist und die jetzige Besetzung der Löwen-Führung einen Denkzettel bekommt. Da soll endlich mal einer die Wahrheit sagen."
Die Zeit drängt. Denn am Montag werden die Löwen wieder auf dem Platz stehen, es ist Trainingsauftakt. Auch, wenn die Machtverhältnisse weiter ungeklärt sind – und Trainer Fröhling täglich das Aus droht. Ab 14.30 Uhr steigt die Präsentation des Trikots für die kommende Spielzeit, anschließend findet das Training in den neuen Kleidern statt. Denn, und das vergisst man ja dieser Tage gern: Manchmal wird bei 1860 noch Fußball gespielt.