"Es ist ein Traum": Marias Wimbledon-Märchen geht mit Sieg über Niemeier weiter
London - Tatjana Maria bejubelte ihr nächstes Wimbledon-Märchen mit Freudentränen in den Augen und dachte gerührt an die Geburt ihrer zweiten Tochter vor erst 15 Monaten. Jule Niemeier formte zum Abschied nach einer innigen Umarmung mit der Viertelfinal-Siegerin mit ihren Händen ein Herz.
Tatjana Maria: "Ich habe überall Gänsehaut"
An einem deutschen Tennis-Feiertag mit großen Emotionen setzte die 34 Jahre alte Maria ihren beeindruckenden Lauf fort und beendete den großen Traum ihrer zwölf Jahre jüngeren Gegnerin. "Ich habe überall Gänsehaut. Es war so ein schweres Match gegen Jule", schwärmte Maria unter dem Jubel der Zuschauer. "Heute haben wir Deutschland wirklich stolz gemacht."
Die zweifache Mutter gewann in 2:17 Stunden einen Krimi gegen Niemeier mit 4:6, 6:2, 7:5 und erreichte erstmals in ihrer Karriere bei einem Grand-Slam-Turnier das Halbfinale. Nur zwei Siege fehlen ihr noch zum Sensationstitel. Die lange Umarmung am Netz nach ihrem Sieg war dabei auch Zeichen des gegenseitigen Respekts.
"Ich hätte sie am liebsten gar nicht mehr losgelassen", sagte Maria am Dienstag lachend bei "Sky". "Sie war super, sie hat sich wirklich für mich gefreut. Wir können stolz sein, dass wir so ein Match gespielt haben für Deutschland." Maria kassiert für ihren Erfolg umgerechnet 622.000 Euro und trifft nun auf die Weltranglisten-Zweite Ons Jabeur aus Tunesien.
Niemeier erhält 360.000 Euro und darf ebenso stolz auf den größten Erfolg ihrer bisherigen Karriere sein. "Ich ziehe da meinen Hut vor, dass sie jetzt im Halbfinale steht mit zwei Kindern und das extrem gut gespielt hat", lobte sie ihre Gegnerin. "Ich bin sehr optimistisch, dass es nicht mein letztes Viertelfinale war bei einem Grand-Slam."
Barbara Rittner: "Beste Werbung für das deutsche Damentennis"
Maria ist nach den früheren Siegerinnen Steffi Graf und Angelique Kerber sowie Sabine Lisicki, Julia Görges und Bettina Bunge die erst sechste deutsche Halbfinalistin in der Geschichte des Profi-Tennis in Wimbledon. "Es ist ein Traum, das mit meiner Familie und meinen zwei kleinen Töchter zu leben", sagte Maria und erinnerte an die Geburt von Cecilia Anfang April 2021. "Vor gut einem Jahr habe ich entbunden. Es ist verrückt."
Damen-Bundestrainerin Barbara Rittner schwärmte: "Beste Werbung für das deutsche Damentennis. Ich bin sehr stolz auf Euch." Nicht nur aus deutscher, sondern auch aus internationaler Sicht steht Maria in einer Reihe mit den ganz Großen. Vor ihr erreichten in Billie Jean King, Martina Navratilova, Chris Evert sowie Venus und Serena Williams nur frühere Champions das Halbfinale in Wimbledon im Alter von 34 oder älter.
"Das ist unglaublich. Meinen Namen auf dieser Liste zu haben, das kann ich immer noch nicht glauben", sagte Maria voller Stolz. Einige Schritte hinter ihrer Bundesliga-Kollegin des TC Bredeney aus Essen ging Maria vor Spielbeginn auf Court 1. Lächelnd posierten sie beim gemeinsamen Foto am Netz.
Beim letzten Schluck aus der Wasserflasche auf der Bank grinste Niemeier in Richtung ihres Anhangs und erwischte einen Traumstart. Mit ihrer kräftigen Vorhand setzte sie Maria früh unter Druck und nahm der Gegnerin direkt den Aufschlag ab. Mit Angriffslust attackierte auch Maria am Netz und kämpfte sich langsam in die Partie.
Dauerläuferin Maria zeigt erneut ihr Kämpferherz
Die 34-Jährige hatte auch vor dem Match auf ihre normale Wimbledon-Routine gesetzt: Um halb neun stand zunächst das Training für die achtjährige Tochter Charlotte an, bevor sich Maria mit ihrem Ehemann und Trainer Charles-Edouard selbst warm spielte. "Ich habe meine zwei Kinder, diese Ablenkung tut mir gut. Alles ist normal bei uns, nichts hat sich geändert", sagte sie kurz vor dem Spiel bei "Sky" und berichtete von einem entspannten Verhältnis zu ihrer Kontrahentin: "Wir gehen auf den Platz, wollen beide gewinnen und werden alles geben. Und danach ist auch wieder okay."
Beide Spielerinnen blieben im weiteren Verlauf des ersten Durchgangs stabil bei eigenem Aufschlag. Niemeier sicherte sich nach nur 43 Minuten durch einen Returnfehler von Maria den Auftaktsatz. Niemeier schaffte erneut das schnelle Break. Mehrfach hatte sich Dauerläuferin Maria in diesem Turnier aus ausweglosen Situationen befreit und zeigte erneut ihr Kämpferherz. Per Volley im Knien schaffte sie den Ausgleich, ihr Mann auf der Tribüne jubelte.
Auch unterstützt von mehreren Doppelfehlern und leichten Patzern Niemeiers übernahm Maria das Kommando, führte schnell 4:1. Der Satzball geriet spektakulär: Niemeier schlug den Ball im Rückwärtslaufen durch die Beine, Maria verwandelte per Volley eiskalt. Es wurde ein Krimi. Niemeier breakte im entscheidenden Satz zum 3:2, blieb aber zu passiv und musste nach einem leichten Volleyfehler das 4:4 hinnehmen.
Plötzlich war Maria wieder obenauf, zwei Punkte fehlten zum Matchgewinn, Niemeier blieb nervenstark und trieb das Publikum an. Nach einem unfassbar umkämpften Ball beim Stand von 5:5 mit besserem Ende für Maria erhoben sich zahlreiche Fans - und bejubelten wenig später die Siegerin.

Jabeur über Maria vor Wimbledon-Halbfinale: "Ich liebe Tatjana so sehr"
Die Weltranglisten-Zweite Ons Jabeur aus Tunesien hat die enge Freundschaft zu Tatjana Maria vor dem Halbfinal-Duell in Wimbledon hervorgehoben. "Ich liebe Tatjana so sehr, ihre Familie ist großartig. Sie ist meine Barbecue-Freundin», sagte die an Nummer drei gesetzte Jabeur nach ihrem 3:6, 6:1, 6:1 gegen die Tschechin Marie Bouzkova am Dienstag.
"Es wird schwer, gegen sie zu spielen. Sie ist eine gute Freundin. Ich freue mich sehr, dass sie im Halbfinale ist.» Sie würde sich wünschen, wenn andere zu Maria aufschauen würden. "Sie ist eine Halbfinalistin und hat zwei Kinder. Das ist eine unglaubliche Geschichte", sagte die 27 Jahre alte Jabeur.
Die sieben Jahre ältere Maria schwärmte ihrerseits von Jabeur: "Sie ist Teil meiner Familie, sie liebt meine Kinder." Die Tunesierin habe eine innigen Beziehung zu ihren beiden Töchtern: "Sie spielt immer Tennis mit Charlotte, sie liebt Ceci."
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