Vor dem Länderspiel: Löws Liste

Wenn sich heute die Nationalmannschaft trifft, muss der Bundestrainer nicht nur die leidige K-Frage beantworten. Es gilt vor allem, eine drohende Gruppenbildung im Team zu verhindern
MÜNCHEN Ganze neun Tagungsräume gibt es im Hotel „Villa Kennedy“ in Frankfurt, Stadtteil Sachsenhausen. Das Fünf-Sterne-Hotel am Südufer des Mains im Villenviertel der Kennedyallee bietet also genügend Platz für große Aussprachen. Um 13 Uhr ist dort am Dienstag Treffpunkt für die 21 nominierten Nationalspieler.
Erstmals nach der WM wird es wieder ernst, das 2:2 in Dänemark war nur ein Sommertestkick, nun steht bereits die EM-Qualifikation an mit den beiden ersten Spielen am Freitag in Brüssel gegen Belgien sowie vier Tage später in Köln gegen den von Berti Vogts betreuten Außenseiter Aserbaidschan. Rund um das erste Training am Nachmittag wird Bundestrainer Joachim Löw zur Vollversammlung bitten – angeblich soll auch der wegen mangelnder Fitness nicht berufene Kapitän a. D. Michael Ballack dabei sein. „Einige zukunftsweisende Entscheidungen“ will Löw nach eigener Aussage erst dem Team, dann der Presse mitteilen.
Um was es dem Bundestrainer geht – die AZ kennt Löws Liste:
Die Kapitänsfrage
Löw will die neue Regelung bekannt geben, nach der er „gern viele Kapitäne in der Mannschaft“ hätte. Was nur bedeuten kann, dass Ballack – sobald er zum nächsten Doppelspieltag in der EM-Qualifikation im Oktober wieder berufen wird – auch die Binde bekommt. Es ist also eine Frage der Fitness. Fehlt er, ist WM-Kapitän Philipp Lahm der Chef. Alles andere würde die Spieler auch sehr wundern. Die interne Ansage vor der WM war laut Miroslav Klose im „kicker“ diese: „Es war zwischen Philipp Lahm und dem Bundestrainer so abgesprochen, dass Philipp bei der WM der Übergangskapitän ist.“ Darum gehe der Bayern-Stürmer davon aus, dass Ballack „sicher Kapitän sein wird, wenn er wieder dabei ist“.
Die neue Hierarchie
Dies ist die wohl schwierigste Frage. Laut Löw soll dem Mannschaftsrat, den er nach Ballacks WM-Ausfall mit Lahm, Klose und Bastian Schweinsteiger sowie dem Bremer Per Mertesacker und dem Neu-Wolfsburger Arne Friedrich besetzt hatte, in Zukunft eine noch größere Bedeutung zukommen. Doch Lahms Hausmacht hat durch seinen Vorstoß („Klar will ich Kapitän bleiben“) gelitten. Nach Klose und Schweinsteiger hatte sich auch Mertesacker hinter Ballack gestellt, einzig Friedrich nicht. Aber auch Cacau und Westermann sehen Ballack als Immer-Noch-Capitano. Löw muss einen Machtkampf samt Gefolgschaften verhindern.
Die Torwartfrage
Immer, wenn zwei Spiele in fünf Tagen anstehen, nominiert Löw drei Torhüter – daher kehrte René Adler zurück, der die WM verletzungsbedingt verpasst hatte. Zuletzt forcierte Löw wieder den Konkurrenzkampf zwischen WM-Keeper Manuel Neuer, Tim Wiese (der das Dänemark-Spiel als Belohnung bekam) und Adler. Vor dem Start in die EM-Quali in Brüssel will er sich auf eine Nummer eins festlegen.
„Ich muss davon ausgehen, dass ich die beiden Spiele bestreite“, sagte Neuer. Die Tendenz geht zu Neuer. Wiese verursachte den 2:2-Ausgleich in Dänemark, Adler sucht wie Leverkusen noch Konstanz und ging am Sonntag 3:6 gegen Gladbach unter. Rein sportlich muss Löw die Neu-Besetzung der Abwehr klären, da die WM-Stammspieler Friedrich und Boateng verletzt fehlen. Westermann und Badstuber stehen parat. Aber das wird noch Löws leichteste Übung sein.
Patrick Strasser