Umstellen!
Eigentlich müssten Schweinsteiger & Co. das neue System von Coach Heynckes einüben. Beim Klassiker gegen Brasilien gilt es aber, Löw-Fußball zu spielen. Sportchef Nerlinger ärgert’s
Stuttgart - Zumindest beim Auto-Shooting bei Generalsponsor Mercedes gab es nichts umzugewöhnen für Bastian Schweinsteiger. Ob bei Bundestrainer Joachim Löw oder daheim bei Jupp Heynckes, der Mann versteht sich als Chef, obwohl Philipp Lahm hier wie dort die Kapitänsbinde trägt. Fürs Gruppenfoto anlässlich des neuen Sponsorenvertrages bis 2018 nahm Schweinsteiger prompt auf dem Fahrersitz Platz. Auf Anweisung wie er betont. Bei allem andern im Nationalteam vor dem Testspiel heute gegen Brasilien (20.45 Uhr/ARD live) gibt es jede Menge Neues. Vor allem die Bayern-Spieler, immerhin acht sind dabei, müssen sich schon wieder umstellen – auf einen anderen Spielstil: Jogi- statt Jupp-System!
„Die Umstellung ist kein Problem”, meinte Schweinsteiger selbstbewusst, „ich spiele ja schon lange hier.” Der Bundestrainer scheint dagegen nicht auf Hinweise an die beiden Blöcke aus München und Dortmund verzichten zu können, „weil wir durchaus unseren eigenen Stil und unsere Eigenart haben”. Sein Rezept (oder der Versuch) besteht nun darin, beide „Spielstile” zu kombinieren, so wie er es für richtig hält. „Ich weise durchaus darauf hin, dass wir anders spielen, vor allem bei den Dortmundern”, sagte Löw und wies Schweinsteiger anschließend die Rolle zu, die jungen Spieler aus Dortmund auf dem Weg aufs internationale Parkett zu unterstützen.
Obwohl die BVB-Profis in der Bundesliga als Maß der Dinge gelten, deren Geschwindigkeit auf dem Rasen selbst Bayern-Präsident Uli Hoeneß („Wir müssen uns anstrengen, um am Ende vor ihnen zu stehen”) beim Ligastart gegen den HSV höchsten Respekt abnötigte. „Die Nationalmannschaft, eine EM oder WM ist vielleicht schon noch eine andere Stufe als die Bundesliga”, sagte Löw hierzu. Da braucht es kurioserweise einen Münchner Führungsspieler als Entwicklungshelfer, der sich in der Bundesliga derzeit noch scher tut, sich das Spielsystem des neuen Trainers Jupp Heynckes anzueignen.
„Das Spiel ist ein Unding, kommt zur Unzeit"
Beim Klassiker gegen Brasilien wird im Hinblick auf die im September startende EM-Qualifikation getestet. „Ich habe vor, viel zu wechseln”, sagte Löw und kündigte an, vor allem Spieler, die in der Champions League spielen oder in die Qualifikation dafür müssen, „zu schonen”. Was Bayerns Sportchef Christian Nerlinger milder stimmen könnte. Er übte heftige Kritik, weil sich die Bayern-Spieler schon wieder umstellen müssen und nicht, das neue Bayern-System einüben können, obwohl man genau dies in der Anfangsphase unter Heynckes für dringend notwendig hält.
„Das Spiel ist ein Unding, kommt zur Unzeit, macht überhaupt keinen Sinn und bringt sehr vieles durcheinander”, sagte Nerlinger. „Wenn ich den Terminplan sehe – wir müssen nächste Woche in der Champions League spielen –, ist das für uns absolut nachteilig”, sagte Bayerns Sportdirektor und appellierte an den Bundestrainer, die acht Bayern-Profis nicht zu sehr zu belasten: „Ich gehe davon aus, dass Jogi Löw durchwechseln wird und unsere Spieler nicht über 90 Minuten zum Einsatz kommen werden.”
Mario Götze von Meister Dortmund, also einer der Schützlinge von Schweinsteiger, wird wohl erstmals von Beginn an dabei sein. „Von der Technik her ist der ein halber Brasilianer”, hat Bayern- und DFB-Mittelfeldchef Schweinsteiger beobachtet und ist sicher, der Wirbelwind aus Westfalen wird seinen Weg in die Weltspitze machen. Und dabei sagt Mittelfeldkoordinator Schweinsteiger, der sich als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive sieht: „Wie wichtig das Bindeglied zwischen Abwehr und Angriff ist, macht uns ja gerade Borussia Dortmund vor.”
Dass Schweinsteiger mit der Helferrolle und der Umgewöhnung überfordert sein könnte, glaubt Bundestrainer Löw übrigens nicht: „Es ist nicht schwer für die neuen Spieler, die meisten routinierteren Spieler haben die Grundlagen, die wir im Nationalteam fordern verinnerlicht.” Und jene Grundlagen, die Jupp Heynckes für den FC Bayern fordert, müssen Schweinsteiger und Co. dann eben wieder ab Donnerstag verinnerlichen.