Schweinsteiger-Show beim 2:0-Auftakt
Lille - Mühsam, aber wichtig. Dominant und doch etwas glücklich. Der erste Sieg ist aus Sicht der Nationalelf bei der EM in Frankreich im Kasten.
2:0 gegen die Ukraine – dank Mustafis Kopfballtreffer, Neuers Rettungstaten, Boatengs Monster-Save und dem traumhaften Schweinsteiger-Comeback.
Damit liegt die DFB-Elf voll im Trend in diesen Tagen: Die Favoriten gewinnen, mit Ausnahme von England gegen Russland. Einen „Abnutzungskampf“ hatte Bundestrainer Joachim Löw in der Gruppenphase erwartet. „Das DFB-Team weiß, dass es sich jeden Sieg hart erarbeiten muss“, meinte ZDF-Experte Oliver Kahn, der „mehr Gedulds- als Gala-Fußball“ prognostiziert hatte.
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So kam es auch am Sonntagabend in Lille. Die Nationalelf dominierte, wollte den Ball und damit das Spiel machen, hatte – natürlich – mehr Ballbesitz, war aber auch in der Defensive ziemlich anfällig. Vor allem in der Viertelstunde vor der Pause. Gegen Ende der Partie wirkte die Ukraine im Stade „Pierre Mauroy“ müde vom ständigen Dagegenhalten.
Zehn Weltmeister in der Startelf
Mit zehn Weltmeistern in der Startelf ging es in Kapitel eins des Abenteuers Frankreich – lediglich Jonas Hector ist Turnierdebütant, er war in Brasilien nicht gekrönt worden. Wegbereiter des Sieges/Matchwinner war ausgerechnet Shkodran Mustafi. Eigentlich dritte Wahl auf der Innenverteidiger-Position (nach Hummels und Rüdiger), nimmt man den Dauer-Patienten Holger Badstuber hinzu sogar vierte Wahl.
Der 24-jährige Verteidiger des FC Valencia zeigte seine Offensiv-Qualitäten mit dem zielstrebigen Power-Kopfball zum 1:0 nach Maßarbeit-Freistoßflanke von Toni Kroos (19.).
Mustafis Premierentreffer im Nationaltrikot – im elften Länderspiel. „Das freut mich natürlich, aber in erster Linie war es wichtig, mit einem Sieg in das Turnier zu starten“, sagte er in der ARD.
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Die tief stehende Ukrainer, die sich als taktisches Mittel das Umschalten zwischen dem recht defensiven 4-5-1 und dem ultra-defensiven 5-4-1-System ausgedacht hatten, kamen dennoch zu Chancen, wenn sie Mut zeigten.
Und auch, weil sich die deutsche Abwehr wie in den letzten zwei Jahren nach dem WM-Gewinn 2014 auch gestern in Lille als sehr anfällig erwies. Eindeutig die Schwachstelle dieser Mannschaft. Der Lichtblick: Mats Hummels stand im Kader und kann laut Löw schon in den nächsten Vorrundenspielen eingreifen.
Boateng rettet in höchster Not
Und wenn Manuel Neuer ausgespielt war, half Jérome Boateng. Die 37. Minute: Nach Yarmolenkos Flanke passte Konoplyanka komplett frei von links in die Mitte. Air Boateng flog ein und rettete gleich zwei Mal artistisch vor Zozulya, zuletzt auf der Torlinie – es wäre das 1:1 gewesen.
Die Goal-Line-Technologie zeigte an: Kein Tor! Im US-Sport würde man sagen: was für ein Save! Und nach den diskriminierenden Aussagen von AfD-Mann Gauland möchte man Boateng zurufen: Danke, Nachbar!
Und ganz zum Schluss gab’s noch ein besonderes Comeback: Bastian Schweinsteiger, etatmäßiger Kapitän und erst kürzlich wieder genesen, durfte in der 90. Minute aufs Feld – und sorgte dann für die Entscheidung: Nach einer Flanke schoss der Mittelfeldmann von Manchester United und Ex-Bayer nach einem langen Sprint perfekt zum vorentscheidenden 2:0 ein. „Ich fühle mich sehr gut, es ist alles sehr gut“, sagte er. Was für eine Rückkehr!