Matthäus ist überzeugt: "Lahm ist der Richtige"
Das sagt Lothar Matthäus, der Deutschland 1990 als Kapitän zum WM-Sieg führte. Und er erklärt auch, warum ein Spielführer ruhig mal 1,70 Meter klein sein darf.
AZ: Herr Matthäus, es zeichnet sich ab, dass Bundestrainer Joachim Löw am Freitag nach Michael Ballacks Ausfall Philipp Lahm zum WM-Kapitän ernennen wird. Was halten Sie von der Wahl?
LOTHAR MATTHÄUS: Erstens: Das freut mich für ihn. Und zweitens: Das ist eine gute Entscheidung. Philipp ist der Richtige. Eine gute Wahl. Er ist der richtige Kapitän.
Aus welchen Gründen?
Er ist anerkannt in der Mannschaft, hat Ballack auch in den letzten Länderspielen vertreten, als der verletzt war. Lahm hat immer seine Leistung gebracht, hat schon eine Menge Erfahrung, auch einige Turniere mitgemacht (EM 2004, WM 2006, EM 2008, d. Red.) und vertritt die Meinung der Mannschaft. Was noch ganz wichtig ist: Er hat eine starke Fraktion von Bayern-Spielern, insgesamt sechs, hinter sich. Das passt.
Bisher ging es beim DFB immer strikt nach der Anzahl der Länderspiele. Wer die meisten hat, bekommt die Kapitänsbinde. Also wäre Miroslav Klose dran, er hat 94 Länderspiele, Lahm nur 64.
Dagegen spricht: Man sollte schon Stammspieler sein und nicht zwischen Mannschaft und Ersatzbank hin- und herpendeln.
Gegenargument: Löw hätte Klose, der bei Bayern ein schweres Jahr als Joker hinter sich hat, stärken können, indem er sagt: „Ich vertraue dir, du bist mein Mann.“
Schon, aber er müsste unbedingter Stammspieler sein. Und was soll Löw dann Mario Gomez erzählen? Außerdem: Ich schätze Miro sehr, aber er ist eher ein ruhiger, zurückhaltender Spieler. Als Kapitän musst du bedingungslos die Interessen deiner Mannschaft vertreten. Auf dem Platz und außerhalb.
Das hat Lahm gemacht. Im Herbst, als es bei Bayern nicht lief, hat er seinem Ärger Luft gemacht und in einem Interview den Verein und die Bosse samt deren Philosophie scharf attackiert – und das am FC Bayern vorbei, ohne die sonst übliche Genehmigung. Hat Philipp Lahm dadurch an Profil gewonnen?
Es war der falsche Weg, das macht man normalerweise intern. Andererseits: Die Vereine wollen doch mündige Spieler, die mal ihre Meinung sagen. Da muss man doch auch mal diese Freiheit haben. Als Spieler – und das habe ich oft genug erlebt – musst du von allen Seiten Kritik einstecken: vom Verein, vom Trainer, von den Fans, von den Medien. Da musst du immer alles schlucken und darfst dir nichts erlauben. Ich finde es gut, dass Philipp den Finger in die Wunde gelegt hat.
Der FC Bayern hat ihn dafür gemaßregelt und ihm eine Geldstrafe auferlegt.
Aber er hat ein Zeichen gesetzt, damit Diskussionen angeregt. Letztlich hat er damit zum großen Erfolg dieser Saison beigetragen.
Sie sind Deutschlands Rekordnationalspieler mit 150 Länderspielen, haben genau die Hälfte als Bindenträger absolviert. Verraten Sie uns bitte den ultimativen Knigge für einen Nationalelf-Kapitän.
Du bist dafür da, dass sich jüngere und weniger erfahrene Spieler anlehnen können, Rat bei dir suchen können. Bei so einem Turnier bist du sechs bis acht Wochen zusammen. Da gibt es in einer Gruppe von 23 Männern plus all die Trainer und Betreuer tagtäglich eine Menge von Problemen – das kann man sich doch vorstellen. Ob es da um private oder sportliche Dinge geht, um wirtschaftliche wie bei den Prämienverhandlungen oder in Medienbelangen.
Lahm ist 1,70 m groß. Spielt das eine Rolle? Sollte der Kapitän auch von seiner Statur ein gewisses Einschüchterungspotenzial durch die Körpergröße darstellen wie etwa Ballack mit seinen 1,88 m?
Nein. Ich war auch nicht der Größte mit meinen 1,74 m. Und habe das auch ganz gut hinbekommen.
Interview: Patrick Strasser