Gegen Österreich: Jogi, wo bleibt der Schmäh?

Der einst so lässig-lockere Bundestrainer steht unter Druck. Statt die Nationalmannschaft stark zu reden, lobt Löw nun die Österreicher. „Ich erwarte ein Spiel auf Augenhöhe”, sagt er.
Patrick Strasser |
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Der einst so lässig-lockere Bundestrainer steht unter Druck. Statt die Nationalmannschaft stark zu reden, lobt Löw nun die Österreicher. „Ich erwarte ein Spiel auf Augenhöhe”, sagt er

WIEN Es war spaßig gemeint, und dennoch war eine gewisse Ungeduld zu erkennen, als Bundestrainer Joachim Löw am Montagmittag am Wiener Ernst-Happel-Stadion den richtigen Eingang suchte. Wohin und wie zur Pressekonferenz im ersten Stock? Fahrstuhl? Oder Treppe? „Ja, kennt sich denn hier gar keiner mehr aus im eigenen Stadion?”, rief er.


Später waren Konzentration, Anspannung, Nachdenklichkeit und Ernst aus Löws Gesicht während der Fragerunde an Ort und Stelle des zweiten WM-Qualifikationsspiels gegen Gastgeber Österreich (20.30 Uhr, ARD live) abzulesen. Wie schon nach dem 3:0 gegen die Färöer wiederholte Löw seine Hochachtung vor den Nachbarn – und das so dezidiert, dass die Kollegen der österreichischen Medien verwundert nachfragten, ob das denn alles nur reines Taktieren sei. Doch Löw insistierte: „Österreich macht sehr selbstbewusste Aussagen – und das völlig zurecht. Früher war deren

Selbstbewusstsein oft ein Schein – und der trügte. Nun wittern sie ihre Chance, haben sich vielleicht so konzentriert wie noch nie auf ein Spiel vorbereitet. Hier in Wien hatten wir das ein oder andere Mal Probleme.”


Mit 2:1 siegte man im Juni 2011 im Prater, im September letzten Jahres dagegen wurde Österreich in Gelsenkirchen mit 6:2 weggefegt. Dennoch senkt Löw die Erwartungen der deutschen Öffentlichkeit. Plötzlich wird der Gegner stark geredet, nicht mehr die eigene Mannschaft wie noch in den Tagen der EM in Polen/Ukraine. Löw weiter: „Die Österreicher haben eine absolut konkurrenzfähige Mannschaft. Sie spielen sehr mutig und offensiv. Ich erwarte ein Spiel auf Augenhöhe.” So viel Bescheidenheit? So wenig Mia san mia? Die Bayern-Macht im Kader samt Ausstrahlung scheint zu bröckeln.


Es scheint, als sei die Dortmundisierung der Nationalelf nicht nur auf den neuen, leicht modifizierten Spielstil (sehr lauf-intensiv, frühes Pressing) und der Integration von Spielern wie Götze, Reus und Schmelzer, falls rechtzeitig fit, zurückzuführen. Auch BVB-Trainer Jürgen Klopp mimt seit Jahren den Underdog, macht sich und sein Team kleiner als nötig. Mit Erfolg.


Das dicke Lob von Löw für den Gegner ist nur der zweite Teil einer öffentlichen Klarstellung. Als sein Kapitän Philipp Lahm von einer selbstverständlichen Zielsetzung sprach, 2014 in Brasilien Weltmeister werden zu wollen, bremste Löw ihn ein. „Wir dürfen aber auch nicht den Anspruch haben, dass außer dem Titel nichts zählt”, sagte Löw mahnend, „wir haben einige sehr gute Spieler. Aber es gibt auch einige Positionen, auf denen wir noch nicht Weltklasse sind.” Alles Aussagen mit erhobenem Zeigefinger. Wenig Lässigkeit. Man fragt sich: Wo bleibt der Schmäh?


Noch während der EM witzelte Löw, lachte viel auf Terminen, grüßte selbst während des Aufwärmens Bekannte auf der Tribüne – Augenzwinkern inklusive. Zum ersten Mal in seiner Amtszeit – nun geht er in seine siebte Saison als Bundestrainer – ist ihm diese Lockerheit abhanden gekommen, ebenso die Leichtigkeit des Jogi-Seins. Er spürt den Gegenwind, die Kritik der TV-Experten wie Oliver Kahn zuletzt nach dem 1:3 gegen Argentinien. Und Löw weiß: Die Qualifikation mit den Gegnern Färöer, Kasachstan, Irland, Schweden und Österreich ist undankbar.

In Wien sagte er: „Manchmal haben wir eben wenig zu gewinnen.” Jogi Löw, Everybody’s Darling, hat plötzlich viel zu verlieren. Braucht er am Ende auch so viele Chancen wie zuletzt seine Offensivspieler? Gar zu viele? Sein Vertrag läuft bis zur WM 2014 in Brasilien. Es dürfte sein letzter Anlauf sein, einen Titel zu holen.

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