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EM-Stadt Baku: Fußball, Öl und Kaviar

Korruption mit Öl-Millionen, keine Pressefreiheit, die Opposition mächtig unter Druck - Aserbaidschan gilt als Unrechtsstaat. Warum also Baku? Teil zwei der AZ-Serie über die Ausrichterstädte der EM.
Krischan Kaufmann
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Ein Prestige-Objekt des Regimes: Das futuristische Nationalstadion in Baku ist allerdings keine reine Fußball-Arena.
Ein Prestige-Objekt des Regimes: Das futuristische Nationalstadion in Baku ist allerdings keine reine Fußball-Arena. © picture alliance/dpa/PA Wire

Baku - Aserbaidschan, Land des Feuers. So nennt sich der 10-Millionen-Einwohner-Staat zwischen Kaukasus und kaspischen Meer, der als Symbol seines Öl-Reichtums sogar eine Flamme im Staatswappen trägt.

Hierzulande sorgt die Autokratie, die seit Jahrzehnten von der Familie Alijew beherrscht wird, seit einiger Zeit allerdings mit einem anderen Exportgut für Schlagzeilen.

Haben Unionspolitiker Lobbyarbeit für Aserbaidschan betrieben?

Mit seiner "Kaviar-Diplomatie" hat das Regime unlängst in der deutschen Politik eine heftige Korruptionsdebatte entfacht, in deren Zuge gleich mehrere Abgeordnete von CDU/CSU in den Mittelpunkt von Ermittlungen rückten.

Der Vorwurf lautet: Die Unionspolitiker sollen kräftig Lobbyarbeit für Aserbaidschan betrieben haben - und das nicht nur für ein paar Döschen edler Fischeier.

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Der Uefa fehlen die Argumente

Was das alles mit der anstehenden Europameisterschaft zu tun hat? Naja, nicht erst jetzt fragen sich viele Fußball-Fans: Warum eigentlich Baku?

Bis heute ist es der Uefa nicht gelungen, vernünftig zu erklären, wie es die aserbaidschanische Hauptstadt in den exklusiven Kreis der ehemals zwölf EM-Ausrichterstädte geschafft hat.

Es gibt kaum sportliche Gründe für den Austragungsort

Sportlich gesehen gibt es jedenfalls kaum Gründe, drei Gruppenspiele und ein Viertelfinale in die 2,2-Millionen-Metropole zu vergeben.

Klar, das 590 Millionen Euro teure und 2015 eröffnete Nationalstadion (69.870 Zuschauer) ist mit seiner futuristischen Dachkonstruktion ein echter Hingucker, aber mit seiner Leichtathletik-Anlage auch keine echte Fußball-Arena.

Aserbaidschan: fußballerisch noch ein Entwicklungsland

Außerdem ist Aserbaidschan fußballerisch immer noch ein Entwicklungsland. Die heimische Premyer Liqasi (gegründet 1992, Rekordmeister ist Neftci Baku mit neun Titeln) gleicht mehr einer Baku-Stadtmeisterschaft - von den gerade mal acht teilnehmenden Klubs kommen nur zwei nicht aus der Hauptstadt.

Auch die Nationalmannschaft konnte sich noch nie für eine Europa- oder Weltmeisterschaft qualifizieren. Selbst unter Berti Vogts nicht.

Berti Vogts: "Die denken nur an ihre Kohle"

Der ehemalige Bundestrainer übernahm 2008 in einer Art fußballerischen Blauhelm-Mission die aserbaidschanische Nationalelf ("Azeri").

Sechs Jahre lang hielt es der EM-Sieger von 1996 in Baku aus, führte das Team zwischenzeitlich sogar in der Fifa-Weltrangliste vom 147. auf den 73. Platz (aktuell 110.). Aber selbst Vogts musste irgendwann bei seinen Spielern erkennen: "Die denken nur an ihre Kohle und tun nichts dafür."

Öl-Reserven statt Demokratie

Das ist kaum überraschend. Geld ist dank der Öl-Reserven im Alijew-Staat - zumindest für diejenigen, die der Regierung nahestehen - im Überfluss vorhanden, was dagegen fehlt, sind Menschenrechte, Demokratie und eine freie Presse.

"Reporter ohne Grenzen" sieht Aserbaidschan auf Platz 162 von 180 Ländern bei der Pressefreiheit. Das Auswärtige Amt warnt Homosexuelle vor der Einreise. Und die politische Opposition kann - wenn überhaupt - nur im Untergrund agieren.

Die Uefa schweigt zum autoritären Regime

Eigentlich müsste angesichts dieser massiven Missstände ein Aufschrei durch die Uefa gehen, schließlich tritt das autoritäre Regime des Präsidenten Ilham Alijew sämtliche Grundwerte, die der Verband sonst so gerne öffentlich vor sich herträgt, mit Füßen.

Aber aus der Zentrale in Nyon hört man dazu nicht viel. Lieber lobt man dort die perfekte Infrastruktur und Organisation in Baku.

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Uefa-Präsident Aleksander Ceferin wagte zwar im letzten Jahr ein Hauch von Kritik an den aserbaidschanischen Verhältnissen: "Die Menschenrechtslage ist ein Problem", räumte der Verbandschef ein - relativierte dann aber gleich wieder: "Aber das ist sie in anderen europäischen Staaten auch. Verdienen die Fans in Baku deswegen keinen Live-Fußball?"

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Doch natürlich. Ein fader Beigeschmack bleibt dennoch. Seit 2013 ist das aserbaidschanische Staatsunternehmen "Socar" mit seinen Öl-Millionen ein großzügiger Uefa-Sponsor und trat 2016 weltweit in Erscheinung, als seine Kernbotschaft "Energie aus Aserbaidschan" (Energy of Azerbaijan) die EM-Werbebanden schmückte.

Das wird auch nun beim aktuellen Turnier wieder so sein. Ein Schelm, wer dann dabei an Kaviar denkt.

 

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