"Ein Titel würde uns gut tun": DFB-Elf träumt vom ersten Triumph seit 2017
München – Es war ein 3:3 der besseren Sorte. Kleiner Scherz, sagt man ja sonst über einen torlosen Kick. Für Julian Nagelsmann bedeutet dieses hochemotionale 3:3 gegen Italien eine Win-win-Situation.
Eine fußballerisch und spieltaktisch mitreißende erste Hälfte und eine zweite, die für jede Videoanalyse nicht besser geeignet sein könnte.
Standing Ovation zur Halbzeit für das DFB-Team
"In der ersten Halbzeit war es sehr unterhaltsam", sagte der Bundestrainer mit fröhlicher Untertreibung und fügte hinzu: "In der zweiten war es auch sehr interessant, nur ein bisschen zu spannend am Ende." Ebenfalls etwas verniedlichend dargestellt.
"Oh, wie ist das schön! So was hat man lange nicht gesehen!" sowie "Die Nummer eins der Welt sind wir!" sangen die Heimfans nach der 3:0-Führung durch die Treffer von Joshua Kimmich (Foulelfmeter), Jamal Musiala sowie Tim Kleindienst und verabschiedeten die Spieler mit stehenden Ovationen in die Halbzeit.
Erste Hälfte gegen Italien: Beste Halbzeit unter Julian Nagelsmann
Tatsächlich war es wohl eine der besten Halbzeiten seit dem WM-Triumph 2014 in Brasilien. Spielfreudig, aggressiv, dominant, trickreich, clever. Die Halbzeit war "sehr beeindruckend, die beste meiner Amtszeit", bestätigte Nagelsmann, "unfassbar ansehnlicher Fußball." Laut Kapitän Kimmich seien die ersten 45 Minuten "sehr, sehr sexy anzugucken" gewesen, "da haben wir einen sehr guten Ball gespielt". Nico Schlotterbeck schwärmte: "Wir haben eine brutale erste Halbzeit gespielt, waren unfassbar dominant, haben sie komplett an die Wand gepresst."
Mit dem 2:1 vom Hinspiel in Mailand war das DFB-Team ins Rückspiel gestartet, zur Pause stand's also insgesamt 5:1. Was sollte da noch schiefgehen gegen gedemütigte Italiener?
DFB-Kapitän Kimmich: "Müssen noch sehr viel dazulernen"
Nach dem Seitenwechsel kippte das Spiel komplett. Wie ein Zug, der in einen Kopfbahnhof einfährt und nach kurzer Wartezeit die Fahrtrichtung ändert, um den Bahnhof wieder zu verlassen.
Der Fußballlehrer Nagelsmann erkannte: "Der große Unterschied war, dass wir in der zweiten Halbzeit fast nur noch nach hinten gespielt haben und fast nur noch durch die Mitte. Es war zu viel Freestyle. Wenn es länger 3:0 steht, dann kapituliert der Gegner. So kippt das Momentum." Man sei "unsauber" geworden, so Schlotterbeck über den Kipppunkt der Partie, man habe "zu viele Fehler gemacht".
DFB-Kapitän Kimmich nahm mit, "dass wir noch sehr viel dazulernen müssen".
Das hilfreichste 3:3 der DFB-Geschichte
Für den ganz großen Erkenntnisgewinn hoch drei. Nummer eins, wie am Donnerstag in Mailand bewiesen: Die Mannschaft kann nach einem Rückstand zurückkommen. Nummer zwei, O-Ton Nagelsmann: "Wir können tollen Fußball spielen." Nummer drei, wieder der Bundestrainer: "Ein Spiel ist in der Halbzeit noch nicht vorbei."
Ergo: "Daher war es für unsere Entwicklung vielleicht besser, als wenn wir 4:0 gewonnen hätten. Die Erkenntnis aus beiden Spielen ist Weltklasse und für unsere Entwicklung super." Das hilfreichste 3:3 der DFB-Geschichte. Ein Schiffbruch – ohne dabei unterzugehen.
Über Zwischenstation Nations League: WM-Titel 2026 das große Ziel
Auch die Spieler sprachen von einem heilsamen Schock, der Lerneffekt macht die Würze für große Turniere – wenn er denn einsetzt. "Am Ende mussten wir sehr leiden, vielleicht hilft es uns für die nächsten Spiele", hofft Schlotterbeck und Abwehrchef Antonio Rüdiger findet: "Das müssen wir lernen: Solche Spiele gut runterzuspielen. Wir sind auf einem guten Weg, haben aber auch noch einen langen Weg."
Der diese Mannschaft nach dem Viertelfinal-Aus bei der Heim-EM 2024 mit der Zwischenstation Nations-League-Endrunde zum WM-Titel 2026 in Nordamerika führen soll.
DFB-Elf vor erstem Titel seit 2017
"Ich habe immer den Anspruch, dass unser Fußball auch unterhält", sagte der 37-Jährige als Zwischenfazit seiner nun anderthalbjährigen Amtszeit seit dem Start in das DFB-Abenteuer im Herbst 2023 und wurde – wie schon so oft – grundsätzlich und dabei gesellschaftskritisch: "Wir sind ja ein bisschen ein Land der Meckerer, aber wir können stolz sein auf die Einheit zwischen Fans und Mannschaft. Die Mannschaft wirft alles rein. Das ist vielleicht die wichtigste Entwicklung der vergangenen Jahre."
Bei der Mini-Endrunde im Juni kann man den ersten DFB-Titel seit dem Confed Cup 2017 gewinnen. Erster Gegner im Halbfinale von München ist am 4. Juni Portugal. "Wir freuen uns auf das Turnier im eigenen Land", sagte Nagelsmann, "ein Titel würde uns guttun."