Der höchste Fan im Fußballstaat
Bundespräsident Christian Wulff verleiht Bundestrainer Joachim Löw das Verdienstkreuz und nennt ihn einen „zutiefst sympathischen Sportsmann“. Kapitän Philipp Lahm verspricht „einen Titel in naher Zukunft“.
BERLIN Der oberste Hemdknopf ist nicht bei jedem Nationalspieler geschlossen, so manche Krawatte recht locker geknotet. Doch allzu streng sind die Benimmregeln im Schloss Bellevue offenbar nicht. Selbst wenn vom Staatsoberhaupt höchste Auszeichnungen verliehen werden. Da darf in Reihe eins neben der Kanzlerin auch ein beinebaumelnder Siebenjähriger sitzen. Leander Balthasar wohnt ja hier, mit seinem Papa, dem Bundespräsidenten.
Silberne Lorbeerblätter für die Fußball-Nationalmannschaft für „herausragende Leistungen“ bei der WM in Südafrika. Bundesverdienstkreuz für Bundestrainer Joachim Löw, ebenfalls für das bei der WM Geleistete. Großer Bahnhof, warme Worte - andererseits: Außer Erich Ribbeck hat seit 1951 noch jeder Bundestrainer das Verdienstkreuz erhalten. Das Löw-Team wurde bei der WM übrigens Dritter.
Egal, sie haben dort einen unerwartet sensationellen Fußball gespielt, und daran wird man ja noch mal erinnern dürfen. Christian Wulff tat dies, nicht ohne das Thema Integration zu streifen: „Wer hätte vor 20 Jahren gedacht, wie sich heute eine Nationalmannschaft zusammensetzt. Unter den Spielern gibt es einen Arne, einen Thomas, einen Hans-Jörg - und einen Jerome, einen Sami, einen Mesut und einen Miroslaw. Und diese so bunte Mannschaft in Südafrika hat uns alle begeistert.“ Passenderweise spielte ein Jazz-Quintett „Waving your flag“, ehe Wulff den Bundes-Kickern zurief: „Bleiben Sie so, wie Sie bei der WM aufgetreten sind!“
Bis auf die Verletzten Bastian Schweinsteiger, Marcell Jansen und Stefan Kießling nahmen alle die Auszeichnung von Bundeskanzlerin Angela Merkel entgegen, auch Jörg Butt bei seinem wohl letzten DFB-Auftritt. Kapitän Philipp Lahm in freier Rede: „Das ist ein großer Ansporn. Wir wollen wieder einen Titel holen, in naher Zukunft.“ WM-Torschützenkönig Thomas Müller meinte: „Ein sehr schönes Gefühl, dass das so gewürdigt wird.“
Bevor der Bundespräsident, kraft seines Amtes der höchste Fan im Fußballstaat, zur Laudatio auf Löw ansetzte („beispielhafter Fußballtrainer, vorbildliche Führungspersönlichkeit, international anerkannter Fachmann, menschlich zutiefst sympathischer Sportsmann“), musste er Moderator Gerd Delling belehren. Der hatte vom Goldenen Lorbeerblatt gesprochen, das es aber gar nicht gibt. Und da bei Delling Beistand nötig sei, bot Wulff an, mal für Günter Netzer einzuspringen.
Derweil war Löw längst wieder in der Gegenwart: beim Freitags-Spiel gegen die Türkei: „Es ist noch kein Endspiel, aber wir müssen Bestleistung bringen, um zu bestehen.“ Bei der abschließenden Nationalhymne war es dann wie immer: Nicht alle sangen mit. Aber: Wer weiß schon, wie laut man im Schloss überhaupt singen darf?
Thomas Becker