AZ-Interview: Lothar Matthäus über die deutschen Chancen beim Confed Cup

Lothar Matthäus spricht im AZ-Interview über die DFB-Elf beim Confed Cup und sagt: "Jetzt sind mal andere Spieler gefragt, Verantwortung zu übernehmen." Er lobt Tolisso und kritisiert Sanches.
Julian Buhl |
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Lothar Matthäus (rechts) erzielte beim deutschen 2:0-Sieg beim Confed Cup 1999 gegen Neuseeland seinen letzten DFB-Treffer. Mit 38 Jahren und 128 Tagen ist er seitdem der älteste Torschütze der DFB-Auswahl.
GES/Augenklick Lothar Matthäus (rechts) erzielte beim deutschen 2:0-Sieg beim Confed Cup 1999 gegen Neuseeland seinen letzten DFB-Treffer. Mit 38 Jahren und 128 Tagen ist er seitdem der älteste Torschütze der DFB-Auswahl.

Der 56-jährige Welt- und Europameister ist der deutsche Rekord-Nationalspieler (150 Einsätze), beim Confed Cup ist er als Experte für Fox Sports tätig.

AZ: Herr Matthäus, welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Confed-Cup-Teilnahme 1999, die mit dem Vorrunden-Aus der deutschen Elf endete?
LOTHAR MATTHÄUS: Keine so guten. Aber unter diesen Umständen konnte man damals nicht mehr von der Mannschaft erwarten. Die Bundesliga war gegen diesen Confed Cup, der mitten in die Saisonvorbereitung fiel. Es gab Überlegungen, nicht teilzunehmen. Man hat sich sportpolitisch gebeugt und darauf geeinigt, dass von jedem Verein maximal zwei Spieler mitfahren dürfen. Dann sind wir halt mit einem zusammengewürfelten Haufen da hingefahren. Wir haben aber ganz sicher nicht absichtlich verloren.

Sie erzielten beim abschließenden 2:0-Sieg gegen Neuseeland Ihren letzten DFB-Treffer. Mit 38 Jahren und 128 Tagen sind Sie seitdem der älteste Torschütze des Nationalteams.
Wenn ich etwas Positives mitgenommen habe, dann ist es das. Das ist eine schöne Sache. Aber da wird mich irgendwann ein Anderer überbieten.

Welche Erwartungen haben Sie nun an die deutsche Mannschaft beim Confed Cup in Russland, der am Samstag beginnt?
Es ist eine etwas andere zusammengewürfelte Mannschaft als 1999. Der DFB tritt vernünftigerweise nicht mit der A-Elf an. Es ist eine gute Entscheidung, den Spielern, die in den vergangenen Jahren permanent beansprucht wurden, mal ein bisschen Ruhe zu gönnen. Deutschland ist beim Confed Cup ganz sicher nicht der Favorit.

Wir haben trotz allem eine schlagkräftige Mannschaft, die sportlich eigentlich nur positiv überraschen kann. Und für viele junge Spieler ist es eine Riesenchance, sich dem Nationaltrainer zu zeigen. Ein Weiterkommen in der Gruppe ist schon Pflicht.

"Für jeden eine große Chance"

Chile tritt in Bestbesetzung an. Ist die Mannschaft der Turnierfavorit?
Mit Chile, den Portugiesen und den Mexikanern ist zu rechnen. Auch die Russen werden sich als Gastgeber gut präsentieren wollen. Jogi Löw schaut in erster Linie auf die Weltmeisterschaft. Der Confed Cup ist für ihn ein Perspektivturnier, für Spieler, die eine Perspektive in der A-Nationalelf haben

Meiner Meinung nach ist das ein kluger Schachzug. Junge Spieler sollen ihre Chance bekommen, in dem Turnier ihre Erfahrungen zu machen – und vielleicht im nächsten Jahr dann dazu beitragen, dass Deutschland den Weltmeistertitel verteidigt.

Wer könnte sich da besonders empfehlen?
Zum Beispiel ein Goretzka oder ein Süle, der schon im Olympiateam 2016 gute Leistungen gebracht hat. Es ist für jeden eine große Chance, sich in der Nationalelf bei Jogi Löw zu präsentieren. Jetzt sind mal andere Spieler gefragt, Verantwortung zu übernehmen, da gehören zum Beispiel Julian Draxler als Turnierkapitän oder auch schon Joshua Kimmich dazu. Diese Spieler müssen jetzt Führungsaufgaben übernehmen. Davon können sie für die Zukunft nur profitieren.

Gilt das bei Kimmich, Süle und Rudy auch für ihre Zukunft beim FC Bayern?
Der Confed Cup ist eine Möglichkeit, sich zu positionieren. Dadurch können sie ihren Stellenwert auch im Verein erhöhen.

Sanches "ein warnendes Beispiel"

Der FC Bayern hat gerade Corentin Tolisso für 41,5 Millionen Euro verpflichtet. Kann er Xabi Alonso im Mittelfeld beerben?
Auf Sicht hinaus traue ich ihm das schon zu. Man hört eigentlich nur Gutes über ihn. Die Zahlen sprechen für ihn. Er hat große Offensivqualitäten als Passgeber und Abschlussspieler. Man sollte aufgrund der hohen Ablösesumme nicht gleich Wunderdinge von ihm erwarten. Aber er bringt schon die Qualität mit, um irgendwann in die Fußstapfen der großen Spieler, die auf dieser Position bei Bayern gespielt haben, zu treten.

Das sollte Renato Sanches ja eigentlich auch tun.
Sanches ist ein warnendes Beispiel. Es geht eben nicht nur um die sportliche Eingewöhnung. Es ist eine andere Mentalität, eine andere Sprache, man ist weit weg von der Familie. Deswegen ist es wichtig, Vertrauen, Unterstützung und Hilfe vom Verein zu bekommen. Man kann nicht gleich von einem 19-Jährigen verlangen, dass er so spielt, wie er das in der portugiesischen Nationalelf bei der EM getan hat.

Bei ihm ist vielleicht alles ein bisschen zu schnell gegangen. Ich hätte auch mehr von ihm erwartet, weil er mir bei der EM sehr imponiert hat. Beim FC Bayern hat er bislang sozusagen mit Handbremse gespielt. Die Dynamik, Leichtigkeit, Sicherheit fehlten. Ancelotti hat in den wichtigen Spielen mehr auf ältere Spieler gesetzt und die jungen ein wenig – in Anführungszeichen – vernachlässigt. Die Transfers des FC Bayern zeigen aber, dass jetzt mehr zukunftsorientiert investiert und auch gedacht wird.

Gnabry "einer der talentiertesten Spieler"

Wie beurteilen Sie die anderen bisherigen Transfers der Bayern?
Ich finde es schön, dass in Süle, Rudy und Gnabry wieder verstärkt deutsche Nationalspieler geholt wurden. Es wird ab nächster Saison also auch wieder mehr Deutsch in der Mannschaft gesprochen. Insgesamt ist das, was die Bayern bisher auf dem Transfermarkt gemacht haben, wirklich gut – vor allem, was die Ablösesummen betrifft. Im internationalen Vergleich ist das nämlich relativ wenig.

Trauen Sie Gnabry zu, Nachfolger von Ribéry und Robben werden zu können?
Er hat die Voraussetzungen: die Schnelligkeit, die Technik, den Abschluss, ein starkes Dribbling und ist torgefährlich. Eine sehr sinnvolle Verpflichtung, vor allem vom Preis-Leistungs-Verhältnis top. Er ist einer der talentiertesten Spieler auf der Außenposition, den wir in Deutschland haben.

Uli Hoeneß hat angekündigt, "Granaten" verpflichten zu wollen. Würde Chiles Alexis Sanchez zu Bayern passen?
Er ist ganz sicher ein Spieler, der den Bayern guttun würde. Ich glaube aber nicht, dass sie ihr Gehaltgefüge durcheinanderbringen wollen. Wenn seine Forderungen tatsächlich so hoch sind, wie es in den Zeitungen vermittelt wird (25 Millionen Euro pro Jahr; d. Red.), macht der FC Bayern da ein Stoppschild davor.

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