Zwayerlei Maß? Der Schiedsrichter wird im Topspiel zum Hauptdarsteller
Dass der Tag nach dem Topspiel, der zweite Advent, kein bisschen was von Besinnlichkeit haben würde, war den Beteiligten schon am Samstagabend klar. Ein hochklassiges, aufregendes Gipfeltreffen zwischen Herausforderer Borussia Dortmund und Titelträger FC Bayern mündete in eine hitzige und ebenso leidenschaftlich geführte Diskussion um Schiedsrichter Felix Zwayer, einen nicht gegebenen Foulelfer an Marco Reus und einen - nach Intervention des Videoschiedsrichters - verhängten Handelfmeter gegen Mats Hummels. 3:2 für die Bayern - über das berauschende Spiel redete kaum einer.
Jude Bellingham ist wütend
Weil Jude Bellingham, 18-jähriges Wunderkind des BVB, nach Abpfiff in seiner Wut übers Ziel hinausgeschossen war. Der Brite, der sich verständlicherweise über "viele Situationen in dem Spiel" ärgerte, meinte im TV-Sender "Viaplay Fotball": "Man gibt einem Schiedsrichter, der schon einmal Spiele verschoben hat, das größte Spiel in Deutschland. Was erwartest du?"
Womit er auf den Skandal um Ex-Referee Robert Hoyzer im Jahre 2005 anspielte, in dem auch der Name Zwayer als Kronzeuge mehrfach aufgetaucht war. Seit Sonntag ermittelt der DFB-Kontrollausschuss, prüft die Aussage auf "ihre sportstrafrechtliche Relevanz". Bellingham droht eine Geldstrafe – und im schlimmsten Fall eine nachträgliche Sperre.
Gegen Bellingham und Gräfe laufen nun Strafanzeigen
Außerdem hat laut "Bild" Marco Haase, ein ehrenamtlicher Schiedsrichter-Beobachter für den DFB, wegen Beleidigung, Nachrede und Verleumdung Strafanzeige gegen Bellingham und Ex-Schiedsrichter Manuel Gräfe gestellt. Warum auch gegen Gräfe, als ZDF-Experte vor Ort? Gräfe sagte einst über Zwayer: "Wer einmal Geld angenommen und Hoyzers Manipulation ein halbes Jahr verschwiegen hat, sollte keinen Profifußball pfeifen."
Ohne Gräfes Äußerung könne Bellingham "diese Äußerung nicht getan haben", so der Inhalt der Anzeige. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke stärkte im "Kicker" Bellingham den Rücken: "Sein Satz ist nicht falsch, auch wenn er ihn nicht sagen muss.

Aber das ist auch der Emotionalität geschuldet, die man einem 18-Jährigen zugestehen muss. Jude hat niemanden beleidigt, sondern ein Faktum geschildert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm daraus irgendwelche Nachteile entstehen."
Widerspruch gab es von Bayerns Vorstandsvorsitzendem Oliver Kahn bei Sky: "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass schon mal ein Spieler Derartiges von sich gegeben hat. Das geht natürlich einen Schritt zu weit, einen gewaltigen Schritt."
Zwayer sieht keinen Fehler in seiner Entscheidung
Watzke schob den Schwarzen Peter Zwayer zu, kritisierte dessen "selbstherrliche Art" und dessen Entscheidungen. Etwa in der Situation, als Lucas Hernández im Strafraum Reus zu Fall brachte und der Pfiff sowie ein Hinweis des Kölner Kellers und eine damit mögliche Überprüfung von Zwayer am Bildschirm an der Seitenlinie ausblieben (wobei Erling Haaland bei der Szene eh im Abseits stand). Zwayer nannte seine Handelfmeterentscheidung "unstrittig", schließlich habe Hummels den Ball "deutlich mit dem Ellbogen geklärt, das ist mit Strafstoß zu bewerten", sagte er bei "Sky".
BVB-Trainer Marco Rose, der nach den Szenen tobte und mit Gelb-Rot auf die Tribüne musste, meinte zynisch: "Herr Zwayer kann ruhig noch ein paar Mal den BVB pfeifen, wir bereiten uns vor auf alles, was da kommt. Er kann uns gerne noch ein paar Stöcke und Steine in den Weg werfen."
Zwayer hat die Balance gefehlt
Gräfe kritisierte seinen Ex-Kollegen im ZDF deutlich: "Die Entscheidungen sind zulasten vom BVB ausgefallen und damit leider spielentscheidend." Er warf Zwayer vor, in dessen Linie habe die Balance gefehlt. Gräfe: "Das gehört zu so einem Spitzenspiel dazu, dass ein Spitzenschiedsrichter das im Gespür hat - und das richtig abarbeitet."
Da hatte es Bayern-Coach Julian Nagelsmann in der Beurteilung einfacher, er sagte zum Handelfer: "In meinen Augen unstrittig, weil er nur mit dem Arm zum Ball geht. Er will nicht, aber es ist halt Handspiel." Zum Kontakt zwischen Hernández und Reus sagte er: "Es gibt Schiris, die es geben." Als Sieger spricht es sich leicht.