Wenig oder viel? Das ist die durchschnittliche Arbeitszeit eines FC Bayern-Spielers
Herr Wiencke, macht Ihnen der immer vollere Spielplan der Bayern-Spieler aus arbeitsrechtlicher Sicht Sorgen?
Die Profispieler gelten als normale Arbeitnehmer. Insofern gilt das gleiche Arbeitsrecht wie beim Pförtner an der Säbener Straße. Gleichzeitig habe ich als Verein eine Fürsorgepflicht. Ich muss schauen, dass mein Humankapital geschützt wird. Je mehr Spiele es auf Klub- und Verbandsebene gibt, desto geringer werden die Erholungszeiten und desto eher treten Verletzungen auf. Insofern würde es wohl aus sportmedizinischer Sicht Sinn machen, den Spielplan zu entzerren und nicht neue Wettbewerbe zu schaffen. Rechtlich zwingend ist dies derzeit noch nicht.
Vereine müssen Spielern den Urlaub "möglichst zusammenhängend gewähren"
Es wird immer davon gesprochen, die Vereine geben den Spielern im Winter und im Sommer eine bestimmte Anzahl an freien Tagen. Müssen Sie sich da an bestimmte Gesetze halten? Immerhin haben Profifußballer wie jeder Arbeitnehmer 24 Urlaubstage.
Nach dem geltenden Bundesurlaubsgesetz und dem weit verbreiteten DFB-Mustervertrag soll der Urlaub möglichst zusammenhängend gewährt werden. Durch die Winterpause ist das in Deutschland etwas leichter als zum Beispiel in England. Im Sommer funktioniert es durch die EM oder WM eingeschränkter. Deswegen kommt ein Joshua Kimmich nach den Länderspielen zum Beispiel später zurück, weil er nach den Turnieren noch Urlaub hat.
Vor allem bei der Klub-WM machen die Spieler ordentlich Überstunden, weil sie vier Wochen am Stück unterwegs sind. Könnte das den Klubs in der Sommerpause zum Verhängnis werden, weil sie den Spielern irgendwann die freien Tage geben müssen?
Theoretisch schon. Wobei man zwischen Überstunden und Arbeitstagen unterscheiden muss und nicht die gesamte Zeit der Abwesenheit auch Arbeitszeit ist. Der durchschnittliche Fußballer hat rund 20 Stunden reine Arbeitszeit pro Woche. Aber wenn die Spieler vier Wochen unterwegs sind, kann man sagen, das ist eine erhöhte Arbeitszeit. Am Ende wird sich diese Mehrarbeit (nicht zwingend Überstunden) dann wieder mit der normalen Arbeitszeit ausgleichen. Aber grundsätzlich zeichnet man die Arbeitszeit bei Sportlern in der Regel nicht auf. Es wird damit gerechnet, dass die ganzen Reisen, Fototermine und Spiele dazugehören. Nach dem Motto: Wir haben das schon immer so gemacht.
Wienecke über Tracking der Arbeitsstunden: "Man sieht dafür keine Notwendigkeit"
Liegt das auch daran, dass die Spieler genug verdienen und es einfach zum Usus gehört?
Es gibt eine gewisse Macht des Faktischen im Fußball. Am ehemaligen Mainz-Keeper Heinz Müller hat man gesehen, dass derjenige, der das System anprangert, erstmal außen vor steht, da Spieler nur sehr selten rechtlich beziehungsweise gerichtlich vorgehen. Deswegen wird das immer noch akzeptiert und durchgewunken. Auch die Fußballer, die am meisten spielen, sind in der Regel nicht die Spieler, die sich beschweren.
Und warum werden die Arbeitszeiten nicht erhoben? Jedes andere Unternehmen muss die immerhin auch erfassen.
Man trackt schon relativ viel, dadurch, dass man den Spiel- und Trainingsplan kennt. Aber es wird nach meiner Kenntnis nicht erfasst, dass Kimmich um 10:06 Uhr und Kane um 10:12 Uhr an der Geschäftsstelle eingetroffen ist. Man sieht dafür keine Notwendigkeit, weil sich bisher keiner darüber beschwert hat.

Bayern-Spieler könnten sich Überstunden theoretisch auszahlen lassen
Würden die Spieler jetzt rein theoretisch durch die Klub-WM auf Überstunden kommen. Könnten Sie sich die auszahlen lassen?
Das kommt auf die vertragliche Regelung an. Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist beides denkbar. Aber es gab darüber noch keinen Rechtsstreit. Es gibt grundsätzlich wenig Gerichtsentscheidungen aus dem Bereich Profifußball.
Gibt es denn wenigstens Vorgaben, wie hoch die Belastung eines Spielers sein darf? Manche Spieler klagen schon, dass zu viele Spiele gesundheitsschädlich sind.
Im Arbeitsrecht gilt, dass jeder so viel leisten muss, wie er kann. Insofern gibt es keine Vorgaben. Rein rechtlich müssen die Ruhezeiten aus dem Arbeitszeitgesetz eingehalten werden. Und die entsprechenden Urlaubstage nach dem Bundesurlaubsgesetz bzw. dem Arbeitsvertrag. Wenn der Klub das einhält, ist man auf der sicheren Seite. Dass es trotzdem für Spieler zu viel sein kann, wäre dann im Einzelfall zu prüfen und gegebenenfalls zu berücksichtigen.
Arbeitsrechtler Wiencke über Urlaubsanspruch: "Muss schauen, ob sich der deutsche Fußball damit nicht ins Aus schießt"
Könnte der Urlaubsanspruch auch das rechtliche Mittel werden, um einen immer volleren Spielplan zu umgehen?
Theoretisch schon. Man hat dann aber das Problem, dass das zum Teil zwar europarechtliche Regelungen sind, aber vor allem deutsche Gesetze. Man muss dann schauen, ob sich der deutsche Fußball damit nicht ins Aus schießt. Also wenn zum Beispiel ein deutscher Verein aufgrund der Rechtslage nicht mehr an einem europäischen Wettbewerb teilnehmen kann, weil er zum Beispiel seinen Spielern Urlaub gewähren muss. Das würde – rein praktisch – auch keiner wollen.
Wie sieht es eigentlich mit Urlaubsentgelt aus?
Das Urlaubsentgelt berechnet sich aus dem Schnitt der letzten 13 Wochen vor dem Urlaub. Insofern müsste man das eigentlich danach berechnen, wie derjenige Spieler gespielt hat und was es an Punkte- oder Torprämien gab. Meiner Kenntnis nach wird das aber nicht gemacht. Es wird einfach ein Schnitt gebildet, weil das sehr zeitaufwendig wäre.

Bayern-Spieler könnten deutlich mehr Urlaubsentgelt erhalten
Bedeutet: Für manche Spieler wäre mehr Urlaubsentgelt drin?
Ein Spieler wie Harry Kane, der jedes Spiel spielt und viele Tore schießt, könnte wohl deutlich mehr Urlaubsentgelt mit dieser Berechnung bekommen. Es gibt aber auch Vereine, die immer eine konkrete Berechnung vornehmen.
Letztlich ist es auch so, dass sich die Spieler im Winterurlaub nicht gehen lassen dürfen und fit zurückkommen müssen. Kann ein Verein seinem Spieler da einen Training- und Ernährungsplan vorschreiben, da es Urlaubszeit ist?
Der Verein hat eine gesteigerte Fürsorgepflicht. Aber der Spieler hat auch eine gesteigerte Rücksichtnahmepflicht, aufgrund des besonderen Sportleistungsverhältnisses. Eben auch, weil so viel Geld fließt, sind die Rücksichtnahmepflichten stärker ausgeprägt. Insofern kann ich meinem Spieler schon einen Trainingsplan an die Hand geben und hoffen, dass er fit zurückkommt. Kommt er dann aber wie angeblich Niklas Süle oder in der Vergangenheit Ronny mit Übergewicht zurück, ist Frage, ob man das sanktionieren muss oder ob es nicht dadurch sanktioniert wird, dass die Person nicht mehr spielt.
Kimmich ist beim DFB als Freiberufler angestellt
Wie ist das Arbeitsverhältnis mit der Nationalmannschaft geregelt? Hat ein Joshua Kimmich einen Minijob beim DFB?
Es ist sehr umstritten, ob die Spieler beim DFB auch Arbeitnehmer sind. Rein praktisch gewährt der DFB keinen Urlaub und sieht sich nicht als Arbeitgeber. Er zahlt auch kein Gehalt, sondern eine Prämie. Bedeutet: Streng genommen ist Joshua Kimmich beim DFB ein Freiberufler.