Van Gaal und die Entdeckung der Gelassenheit
Trainer Louis van Gaal wird Bayern München nach der Saison verlassen, am Mittwoch leitete der Niederländer erstmals wieder das Training des deutschen Rekordmeisters Bayern München. Die 1000 Fans an der Säbener Straße erlebten einen völlig entspannten Noch-Trainer.
München Es war 12.04 Uhr, als Louis van Gaal den Trainingsplatz von Bayern München an der Säbener Straße betrat. Rund 1000 Fans und zahlreiche Journalisten warteten bei strahlendem Sonnenschein auf den ersten öffentlichen Auftritt des niederländischen Trainers, nachdem am Montag Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge die Entscheidung über die Trennung nach der laufenden Saison verkündet hatte.
Wer von den zahlreichen Besuchern allerdings mit einem unruhigen, sich in der Öffentlichkeit aufplusternden van Gaal gerechnet hatte, täuschte sich. Völlig entspannt leitete der Bayern-Trainer die Trainingseinheit – so als sei die ganze Aufregung um die Trennung und die angespannte sportliche Situation gänzlich an ihm vorbeigegangen.
Ein persönliches Gespräch mit Ersatzmann Andreas Ottl hier, ein Plausch mit Superstar Arjen Robben da, ansonsten glich das Training einer Einheit wie jeder anderer. Die Spieler scherzten, während sie mit den Deuserbändern über die Oberschenkel umherwateten wie Enten. Ihr Trainer begutachtete das Treiben aus sicherer Entfernung zusammen mit seinem Assistenten Hermann Gerland. Im Anschluss an die Einheit badete der Niederländer noch in der Menge, gab eine halbe Stunde lang Autogramme und wollte seinen Chefs damit wohl zeigen, wie beliebt er immer noch bei den Fans ist.
Die Bayern tun gut daran, diese Ruhe und Entspanntheit zu bewahren, sich nicht von der medialen Aufgeregtheit beeinflussen zu lassen. Denn in den kommenden Spielen in der Bundesliga, in denen es noch um die Champions-League-Qualifikation geht, und im Rückspiel des Achtelfinals in der Königsklasse gegen Inter Mailand steht für die Münchner zu viel auf dem Spiel, als dass man sich der Unruhe rund um die Säbener Straße hingeben könnte.
Das sieht auch Torwart-Ikone Oliver Kahn so. Der langjährige Bayern-Keeper hält den Entschluss, zunächst an van Gaal festzuhalten und sich erst nach der Saison von ihm zu trennen, für „absolut folgerichtig. Ich halte die Entscheidung für alles andere als unklug. Es gilt jetzt, die Mannschaft in die Pflicht zu nehmen“, sagte Kahn in einem Interview und fügte mit Blick auf die Diskussion möglicher Risiken an: „Es wird immer so getan, als sei eine Mannschaft immer zu 100 Prozent von ihrem Trainer abhängig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es beim FC Bayern auch nur einen Spieler gibt, der sich nächstes Jahr die Europa League antun will. Da ist es doch für die Spieler im Moment völlig uninteressant, wer der Trainer ist.“
Während der Noch-Trainer und die Mannschaft also die Ruhe bewahren, wird in den Medien schon über mögliche Neuzugänge für die kommende Saison spekuliert. Bevor sich die Münchner Chefetage jedoch mit Neuverpflichtungen beschäftigt, sollte ein Trainer gefunden werden, der zur „Philosophie des Vereins“ passt, so Kahn. Zudem empfiehlt er den Bayern-Granden einen „umgekehrten Weg als zuletzt“ und „wieder Kontinuität“ auf dem Trainersessel anzustreben.
Die wichtigste Aufgabe kommt allerdings auf van Gaal und seine Mannschaft zu: Die sportlichen Ziele müssen mit allen Mitteln erreicht werden. Am Samstag steht die Begegnung gegen den Hamburger SV (15.30 Uhr/Sky und Liga total!) an – der Beginn einer Siegesserie? Im Idealfall sind es für van Gaal noch 15 Partien, an dessen Höhepunkt am 28. Mai das Champions-League-Finale im Londoner Wembleystadion stehen könnte. So weit will beim FCB jedoch niemand denken. Denn so ruhig die Lage an der Säbener Straße am Mittwoch auch war, verliert der FC Bayern am Wochenende gegen den HSV, weht dem Trainer auf Abruf ein erneut eisiger Wind entgegen – mit ungewissen Nebenwirkungen.