Sport-Jurist zum Corona-Chaos beim FC Bayern : "Eine Impfpflicht nur für Profis ist völlig abwegig"
München - AZ-Interview mit Christoph Schickhardt: Der 66-Jährige ist der bekannteste Sport-Jurist Deutschlands. Zu seinen Klienten zählen Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp und der ehemalige DFB-Präsident Fritz Keller.

AZ: Herr Schickhardt, beim FC Bayern sollen angeblich mehrere ungeimpfte Profis während einer Corona-Quarantäne nun kein Gehalt mehr vom Verein bekommen. Viele Fußball-Fans fragen sich gerade, ob so eine Maßnahme denn juristisch überhaupt haltbar wäre?
CHRISTOPH SCHICKHARDT: Ohne auf den konkreten Fall eingehen zu wollen: So ist nun mal die Rechtslage. Das kann man sehr einfach erklären: Wer nicht arbeitet, bekommt kein Geld - es sei denn, der Arbeitnehmer ist krank oder im Urlaub. Spieler, die nicht infiziert sind, gelten nun mal nicht als krank und wenn dann Spieler in Quarantäne müssen, weil sie als Nicht-Geimpfte Kontakt zu einem positiven Fall hatten, dann dürfen sie nicht arbeiten, aber sie sind eben auch nicht krank – und genau deshalb bekommen sie dann in dieser Zeit auch kein Gehalt.
Wären die Spieler krank, müssten sie weiter bezahlt werden
Als Infizierte würden die Spieler in häuslicher Isolation aber weiter ihr Gehalt vom Verein beziehen, oder?
Natürlich, wenn sich jemand mit Covid-19 ansteckt, dann gilt er als krank und bekommt wie jeder Arbeitnehmer eine absolute Lohnfortzahlung.
Ganz egal, ob geimpft oder ungeimpft?
Ja, das ist egal. Fußballer sind prinzipiell ganz normale Arbeitnehmer.
Allerdings ist bei Fußball-Profis ihr Körper ihr Kapital, das sie besonders schützen müssen. Nicht umsonst verbieten die Bundesliga-Klubs ihren "Angestellten" häufig riskante Freizeitbeschäftigungen wie Ski- oder Motorradfahren.
Ja, das gibt es. Aber eigentlich können Vereine und Klubs ihren Spielern solche Risiko-Betätigungen, die in der Freizeit und im Urlaub ausgeführt werden, nur schwer verbieten. Das Gesetz unterscheidet nämlich normalerweise nicht, warum man erkrankt ist: So bekommt etwa ein Arbeitnehmer trotzdem seinen Lohn, auch wenn er die Grippe, die er sich "eingefangen" hat, selber verschuldet hat, etwa weil er sich im Freibad die Haare nicht getrocknet hat.
Rechtliche Schritte gegen Aussetzung der Gehaltszahlungen? Wenig aussichtsreich
Angesichts Ihrer Ausführungen hätte es dann ja wenig Aussicht auf Erfolg, wenn die aktuell betroffenen Spieler versuchen, gegen die quarantäne-bedingten Gehaltskürzungen juristisch vorzugehen?
Ja!
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kann sich mittlerweile sogar eine Impfpflicht für Profi-Fußballer vorstellen. Was sagen Sie als Jurist dazu?
Eine Impfpflicht nur für Fußball-Profis ist völlig abwegig. Dies ist auch ein gutes Stück Populismus. Gerade wird die Impfpflicht für alle diskutiert. Das ist natürlich möglich - und betrifft dann selbstverständlich auch die Fußball-Profis. Eine Impfpflicht isoliert für Fußball-Profis hätte aber rechtlich keine Chance. Wie kommt man denn gerade ausschließlich auf Fußball-Profis? Dafür gibt es rechtlich keinen plausiblen Anknüpfungspunkt.
Vorbildfunktion? Fußball-Profis "damit völlig überfordert"
Inwiefern?
Man sollte die Fußballer nicht an den Pranger stellen. Joshua Kimmich ist ein herausragender Sportler und so, wie man allseits hört, auch ein sehr ernsthafter Mensch. Ich halte es für völlig falsch, Fußballern diesbezüglich eine Vorbildfunktion zuzuschreiben. Damit sind sie doch völlig überfordert. Wer zu seiner Entscheidung, ob er sich impfen lässt oder nicht, ein Vorbild benötigt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Alle Fakten liegen längst auf dem Tisch. Mit den ungeimpften Profis sollte man in jedem Fall aber im Gespräch bleiben und ihnen auch stets den Weg zurück ohne Gesichtsverlust ermöglichen und sie keineswegs in eine Ecke stellen, aus der sie womöglich nicht mehr herauskommen. Dies würde nur eine weitere Trotz-Haltung hervorrufen.