»Sie reißen mir das Herz raus«

Mit Jürgen Klinsmann als Trainer wird der FC Bayern zur geschlossenen Gesellschaft: Das Klubgelände wird dicht gemacht, die Gaststätte zugesperrt und das Training soll unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Bei der Revolution des FC Bayern werden die Fans die großen Verlierer sein.
MÜNCHEN Ein paar Weißwürste mit Brezn, ein frisches Weißbier. Oder mittags ein Schnitzel mit Pommes – dazu ein komplettes Bayern-Training. Zwar hinter Glas, aber live. Das zählt. Und wer möchte, kann sich die Einheit der Stars an bestimmten Tagen sogar direkt am Zaun ansehen. Fast mit Körperkontakt zu den Stars. Doch: Wer das an der Säbener Straße 51 noch erleben möchte, muss sich beeilen. Am 16. Mai, am Tag vor dem letzten Bundesliga-Spiel der Saison gegen Hertha BSC, wird Schluss sein mit Nähe. Denn dann machen die Bayern dicht.
Schluss mit Nähe. Schluss mit Mahlzeiten und Training gucken. Denn der künftige Cheftrainer Jürgen Klinsmann revolutioniert die Säbener Straße – und sperrt die Fans künftig aus. Öffentliche Trainingseinheiten werden zur Rarität, und die bisherige „Lücke im System“, die Klubgaststätte „Insider“ ganz geschlossen. „Wir müssen den veränderten Verhältnissen im Profi-Fußball Rechnung tragen“, begründet Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge in der „Sport-Bild“ die Maßnahme. Veränderte Verhältnisse? Er hätte sagen sollen: Jürgen Klinsmann. Er will eine geschlossene Gesellschaft von Spielern, Trainern und Betreuern nach italienischem Vorbild schaffen. Klinsmann ruft den Acht-Stunden-Tag ins Leben. Frühstück, Mittagessen, Kaffee und Kuchen – alles auf dem Gelände.
Daher soll es dort, wo jetzt die Gaststätte ist, Ruheräume mit Schlafmöglichkeiten und eine Spieler-Lounge (mit Fernsehern, Tischfußball und Videospiel-Konsolen) geben. Rummenigge: „Jürgen möchte einfach alles professionalisieren. Das ist eine neue Kultur für die Bundesliga. Wir wollten diesen neuen Weg mit Jürgen gehen, und wir sind überzeugt, dass er erfolgreich sein wird.“
Die neue Kultur beinhaltet, dass eine bisherige sterben muss. In den 90er Jahren war das Klubrestaurant „Insider“ auf Wunsch von Manager Uli Hoeneß in ein Café mit TV-Bildschirmen und regionaler Küche umgebaut worden. Vor drei Wochen bekam die Pächterin Erika Niemeyer, die auch das Restaurant „Mon'gos“ am Oberanger führt, die Kündigung. „Der Pachtvertrag wäre Ende des Jahres abgelaufen, jetzt müssen wir schon vorher schließen“, sagte sie der AZ. Die fünf festangestellten Mitarbeiter und diverse Aushilfen verlieren ihre Jobs, „die kann ich nicht alle behalten“, sagt Niemeyer.
Am 20. Mai beginnt der Umbau. „Sie haben mir gesagt, dass der Verein keine Gastronomie mehr am Gelände haben will. Ich bin entsetzt und extrem traurig“, erzählt die Pächterin, die den Insider fünfeinhalb Jahre führte. „Das ist nicht nur Business, da hängt mein Herz dran. Sie reißen mir das Herz heraus. Alle hier, auch die Fans verlieren ein Stück Heimat.“ Für Klinsmanns neue Heimat. „Wir wissen, dass wir uns nicht von den Fans entfernen dürfen“, betont Rummenigge in „Sport-Bild“, „aber wenn im Sommer 5000 Fans am Trainingsplatz stehen, geht das heutzutage einfach nicht mehr.“ Eine Arena für 5000 Fans auf dem neuen Gelände habe die Stadt nicht genehmigt, so Rummenigge. Nun sind öffentliche Trainingseinheiten in der 69000 Zuschauer fassenden Allianz Arena (!) in Planung – einige wenige. Die Fans und die Bayern, sehen sie sich nur noch im Stadion? Rummenigge zitiert Arsenal-Trainer Arsène Wenger: „Der Trainingsplatz ist für die Mannschaft und den Trainer da, das Stadion für die Fans.“ Schöne Aussichten.
P. Strasser, F. Cataldo