Peter Stöger: "Bayern-Jäger? Lese ich nicht!"

Im AZ-Interview spricht der Trainer des 1. FC Köln, Peter Stöger, über das Spitzenspiel am Samstag gegen den FC Bayern München – und verrät, ob er Wiesn oder Karneval bevorzugt.
von  Interview: Marc Merten
Nach der Pleite gegen Altético in der Champions League empfangen die Bayern am Samstag den 1. FC Köln.
Nach der Pleite gegen Altético in der Champions League empfangen die Bayern am Samstag den 1. FC Köln. © firo/Augenklick//dpa

Der 50-jährige Österreicher spielte unter anderem für Austria und Rapid Wien. Seit 2013 trainiert er den 1. FC Köln und stieg von der Zweiten Liga in die Bundesliga auf. Am Samstag reist er mit seiner Mannschaft nach München und tritt in der Allianz Arena gegen den FC Bayern an. Die AZ hat ihn zum Interview getroffen.

AZ: Herr Stöger, Ihr Präsident Werner Spinner hat sich die Schlagzeile „Köln, der Bayern-Jäger“ ausgeschnitten. Sie auch?
PETER STÖGER: Nein, ich habe sie noch nicht einmal gelesen. (lacht) Aber ich habe Verständnis dafür, denn man muss sich ja nur mal überlegen, wo der FC in den letzten 20 Jahren gestanden hat. Und wenn wir gut in die Saison starten, gibt es viele Menschen, denen das richtig viel Spaß macht. Aber wir sind mit unseren elf Punkten nach fünf Spieltagen selbst sehr zufrieden.

Gibt es realistisch gesehen gerade überhaupt so etwas wie einen Bayern-Jäger in der Bundesliga?
Dortmund hat das letzte Saison überragend gemacht und es hat trotzdem nicht annähernd geklappt. Es ist eben richtig schwer, gegen die Bayern etwas auszurichten. Dennoch gibt es Teams wie den BVB, Gladbach, Leverkusen, Wolfsburg oder Schalke, die für sich in Anspruch nehmen, da sein zu wollen, wenn die Bayern mal schwächeln. Aber in den letzten drei Jahren hat es das eben nicht gegeben.

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Atlético Madrid hat am Mittwoch gezeigt, wie man die Bayern schlagen kann.
Ja, aber warten Sie bitte! Die Nachbetrachtung des Spiels zeigt schon wieder, dass wir einerseits darüber diskutieren, wie unerreichbar die Bayern sind und andererseits harte Kritik geübt wird, wenn München in Madrid verliert. Man sollte zur Kenntnis nehmen, dass Atlético zu den Top Fünf in Europa gehört. Die jagt man nicht einfach so aus dem Stadion. Schon gar nicht auswärts.

Welche Schwächen haben die Bayern denn aus dem Spiel entnehmen können? Die sehr hoch stehenden Außenverteidiger zum Beispiel?
Man kann auch sagen, dass sie mit dieser Spielweise umgekehrt schon viele hundert Torchancen herausgespielt haben. Da können wir gleich über des Kaisers Bart streiten, wie man in Österreich sagen würde. Klar nimmt man in bestimmten Situationen einen Gegner aus dem Spiel und erwischt ihn auf dem falschen Fuß. Aber wenn es das nicht gäbe, wäre jedes Fußballspiel ein Grottenkick. Am Mittwoch haben zwei absolute Weltklassen-Mannschaften gegeneinander gespielt. Deswegen ist es auch nicht so einfach zu sagen, was wir daraus lernen können.

Warum?
Weil wir es auf unsere eigene Qualität umrechnen müssen. Fünf Teams in der Bundesliga haben es diese Saison schon gegen die Bayern versucht. Ohne Erfolg. Unsere Spieler haben wieder andere Stärken, und damit werden wir versuchen, am Samstag einen guten Job zu machen. Wir haben es bislang vier Mal versucht, vier Mal hat es nicht geklappt.

Wie hat sich das Spiel der Bayern aus Ihrer Sicht unter Carlo Ancelotti im Vergleich zu Pep Guardiola verändert?
Es mag den Eindruck erwecken, dass sie nicht mehr so intensiv pressen wie unter Guardiola. Aber wenn man sich dann die letzte halbe Stunde in Hamburg ansieht, da haben sie dem HSV keine einzige Sekunde Luft zum Atmen gegeben und das Siegtor regelrecht erzwungen. Jetzt haben sie von einem Weltklasse-Trainer zum anderen gewechselt und sie schauen, an welchen Rädchen sie noch drehen müssen, um sich von Weltklasse zur unschlagbaren Weltklasse zu entwickeln.

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Als Pep Guardiolas Abschied feststand, nahm die Kritik an ihm zu. Wie haben Sie das als Trainerkollege wahrgenommen?
Zweieinhalb Jahre gab es nur Lobhudelei, aber von dem Moment an, als klar war, dass er seinen Vertrag nicht verlängern würde, ist Kritik aufgekommen. Ich bilde mir das nicht ein, ich bin überzeugt, dass es genau so war. Er hat einen außergewöhnlichen Job gemacht, hat eine unglaubliche Dominanz in die Liga gebracht. Vielleicht hätte er die Kritik gerne etwas früher gehört, um sich damit auseinanderzusetzen.

Haben Sie denn Bayern-Trainer Carlo Ancelotti schon kennen gelernt?
Also bitte, ich komme aus Österreich. (lacht) Woher soll ich ihn kennen? Ich kenne ihn aus dem Fernsehen.

Als Österreicher gab es keine Chance, ihn kennen zu lernen?
Wissen Sie, das ist unser versteckter Minderwertigkeitskomplex.

Als Österreicher?
Als Fußballer! Unsere Skifahrer würden so etwas nie sagen. (lacht)

Apropos Österreich: Was macht David Alaba zum besten Fußballer Ihres Landes?
Das Gesamtpaket. Er ist unglaublich talentiert, hat sich körperlich sehr gut entwickelt, ist flexibel einsetzbar, ein intelligenter Spieler, hat für einen defensiv orientierten Spieler eine enorme Schusstechnik.

Was kann der FC in dieser Saison realistisch erreichen?
Bislang liegen wir sicher über dem Schnitt. Fünf Spiele, elf Punkte, das ist über dem, was man erwarten kann. Aber es ist sehr erfreulich, dass wir so gut aus der Vorbereitung herausgekommen sind. Und es ist enorm wichtig, wenn man sieht, wie sich das Geschäft entwickelt, wenn man schlecht startet.

Hamburg, Bremen...
Genau. Das ist ein eigenartiger Zugang, eine seltsame Kombination aus Nervosität und anderen Dingen.

Und was denken Sie, wenn Lukas Podolski und Wolfgang Overath den Vergleich zu Leicester City ziehen?
Dann lache ich darüber. Das ist der gute alte FC. So richtig überraschen kann mich kaum mehr was. Anfangs habe ich noch gedacht, ich müsste da gegensteuern. Aber mittlerweile lasse ich das laufen und reagiere nicht mehr drauf. Auch, weil immer mehr Leute wissen, dass wir das realistisch sehen. Das ist kein Understatement, nur ein Blick auf die Dinge, wie sie wirklich sind.

Zum Schluss noch eine kulturelle Frage: Wiesn oder Karneval?
Da gibt es keine zwei Meinungen, nachdem ich den Karneval hier in Köln erlebt habe. (lacht)

Dabei haben Sie sich auf der Kölschen Wiesn in einer pinken Lederhose gezeigt.
Ich bin schon überall dabei. Die Wiesn hat schon was. Es hat ja alles mit Lebensfreude zu tun. Aber es geht nichts über den Karneval in Köln.

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