"Nur mit Star-Trainern wird es schwer für Bayern"
München - AZ: Herr Hamann, der FC Arsenal steht nach zwei Gruppenspielen bei null Punkten. Und jetzt geht es gegen die Bayern. Ist das Aus schon besiegelt?
DIDI HAMANN: Arsenal steht nicht mit dem Rücken zur Wand, sondern schon dahinter. Gegen Mannschaften wie Olympiakos Piräus oder Dinamo Zagreb darfst du einfach nicht verlieren. Die Bayern sollten trotzdem nicht den Fehler machen, Arsenal zu unterschätzen nach den bisherigen Ergebnissen.
Warum nicht?
Ich glaube, das ist die beste Arsenal-Mannschaft seit fünf, sechs Jahren. In der Liga sind sie Zweiter, nicht ohne Grund. Die Bayern wird ein heißer Tanz erwarten und der bisher größte Test in diesem Jahr.
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Wie wichtig sind die beiden Deutschen für Arsenal?
Mesut Özil spielt eine entscheidende Rolle. Wenn er gut drauf ist, dann gibt es wenige Spieler, die besser sind als er. Und über Per Mertesacker ist schon viel gesagt worden. Er verkörpert, was die Engländer von einem deutschen Innenverteidiger erwarten: Er ist hart, zuverlässig, diszipliniert. Und er macht sogar das eine oder andere Tor.
Trotzdem sind die Bayern großer Favorit, sie haben gerade erst einen neuen Startrekord in der Liga aufgestellt. Was macht sie so stark?
Sie haben in Robert Lewandowski den besten Mittelstürmer der Welt, mit Manuel Neuer den besten Torwart der Welt. Du hast fünf Weltmeister, mit Douglas Costa einen Klassespieler, mit Kingsley Coman eines der hoffnungsvollsten Talente, dazu enorme Qualität im zentralen Mittelfeld. Deshalb sind die Bayern auch in diesem Jahr Anwärter auf den Sieg in der Champions League neben dem FC Barcelona und Real Madrid, meinem Top-Favoriten.
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Noch immer ist unklar, ob Pep Guardiola Bayern-Trainer bleibt. Manchester City wird immer wieder als neuer Verein genannt. Ihre Prognose?
Es wäre für alle Seiten das Beste, wenn Pep bei Bayern verlängert. Was man so hört, ist er sehr beeindruckt vom Verein. Und sportlich läuft es super. Die Chancen der Bayern würde ich auf 40 Prozent schätzen. Drei Jahre bei einem Verein sind eine lange Zeit, bei einem Klub wie Bayern gleich nochmal länger und intensiver. Der Druck ist dort immens.
Wie lang kann Bayern noch auf Pep warten?
Es ist legitim, dass die Bayern bis Winter eine Entscheidung haben wollen. Das Problem ist natürlich, dass man sich umschauen muss nach Kandidaten, falls Pep geht. So viele Trainer gibt es nicht, die für Bayern in Frage kommen. Ein Kandidat ist bestimmt Carlo Ancelotti. Wenn du bis März wartest, kann es natürlich sein, dass er dann woanders auftaucht. Aber: Wenn Ancelotti kein Deutsch kann, könnte das zum Problem werden. Vielleicht sollte man aber auch mal einen ganz anderen Weg gehen.
Welchen denn?
Dass der FC Bayern nach Guardiola einem unbekannteren Trainer die Chance gibt – und die Zeit, eine Mannschaft mit Spielern aus der eigenen Jugend aufzubauen. Denn: Nach der Generation Lahm/Schweinsteiger musst du das Team verjüngen. Wenn du immer nur Star-Trainer holst wie Guardiola wird das unheimlich schwer. Die kommen hier her, um Titel zu gewinnen. Und dann haben sie eben weniger Interesse daran, Spieler aus der Jugend nach oben zu bringen. Ich würde befürworten, dass man mal Einen holt, der die Jugend fördert. Dass man mal sagt: „Okay, werden wir nächstes Jahr eben Dritter, aber dafür haben wir in fünf, sechs Jahren wieder eine Mannschaft mit Spielern aus der eigenen Jugend.“
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Wer wäre dafür geeignet?
Markus Weinzierl vom FC Augsburg könnte einer werden. Aber ich würde lieber einen sehen, der schon länger in der Bundesliga gearbeitet hat. Lucien Favre ist für mich keine ernsthafte Option. Bei Bayern ist es nicht denkbar, dass du mehrfach deinen Rücktritt anbietest. Da ist die Aufmerksamkeit viel größer als in Gladbach. Du kannst nicht nach zwei Niederlagen zu Kalle (Rummenigge, d. Red.) ins Büro kommen und um Urlaub bitten. Dann bist du kein Kandidat für Bayern.
Zum Abschluss: Wie macht sich Jürgen Klopp beim FC Liverpool?
Er passt dahin, aber er muss schauen, dass er die Euphorie dämpft. Die Leute drehen alle durch und denken, dass Liverpool dieses Jahr Meister wird. Aber er ist kein Zauberer. Realistisch ist ein Platz unter den ersten Vier. Die Ausgangslage ist nicht vergleichbar mit der damals in Dortmund. Es ist mehr Druck da, weil er Liverpool nicht am Abgrund übernimmt. Das ist ein Team, in das viel Geld investiert wurde und das um die ersten vier Plätze mitspielen muss. Dortmund war damals ganz unten. Bei Liverpool wird Klopp seine Zeit bekommen. Aber hier in England hast du vier, fünf Mannschaften, die Meister werden können. Deshalb wird es schwerer für Klopp als mit dem BVB in der Bundesliga.