Mentalität, Außendarstellung, Hoeneß: Beim FC Bayern muss vieles auf den Prüfstand
Manuel Neuer ist kein Mann der allzu kritischen Worte, das war schon immer so. Und so kam es für die mitgereisten Reporter im Bauch des Mercedes-Benz-Stadiums in Atlanta auch nicht wirklich überraschend, dass der Kapitän des FC Bayern der Klub-WM trotz des bitteren, aber nicht unverdienten Ausscheidens gegen Paris Saint-Germain (0:2) offenkundig viel Positives abgewinnen konnte.
"Mit dem FC Bayern kann man rechnen, das hat man gesehen", sagte der 39-Jährige und schickte mit Blick auf die nächste Saison gleich noch eine Kampfansage hinterher: "Wir nehmen dieses Spiel als Vorbild, um zu sagen: Jetzt erst Recht! Wir wollen in der Bundesliga angreifen, im DFB-Pokal wieder da sein. Aus diesem Spiel muss man die Motivation schöpfen, um zu sagen: Dieses Mal sind wir dran." Ob da nicht eher der Wunsch der Vater des Gedankens war?
Gut gespielt, aber ausgeschieden: Niederlagen wie gegen PSG kommen regelmäßig vor
Freilich, gegen PSG kann man ausscheiden. Nachzufragen bei Real Madrid, das im Halbfinale von den Parisern gar mit 0:4 abgefieselt wurde. Nach der schweren Verletzung von Jamal Musiala habe man sich erst einmal fangen müssen, insgesamt aber sehr gut mitgehalten gegen die aktuell wohl beste Mannschaft der Welt, so der Tenor bei den Bayern nach dem Spiel. Den eigenen Ansprüchen scheint das mittlerweile zu genügen - selbst wenn am Ende das Ausscheiden steht.
An der Säbener Straße ist man jedenfalls gut beraten, bei der Aufarbeitung des Turniers auch das Aus gegen PSG kritisch zu betrachten und sich nicht von den schwierigen Umständen blenden zu lassen. Denn Niederlagen wie die am Samstag kommen mittlerweile in bedenklicher Regelmäßigkeit vor. Wirkliche Lehren haben die Verantwortlichen daraus (noch) nicht gezogen, stattdessen greift man immer wieder auf vermeintliche Erklärungen zurück, die auf Dauer den Charakter von Ausreden haben.
Der FC Bayern hat seit fünf Jahren kein Finale mehr erreicht
Das Viertelfinal-Aus in der Champions League gegen Inter Mailand, das den Traum vom Finale dahoam platzen ließ, begründete man mit der Verletzungsmisere und individuellen Fehlern. Auch im DFB-Pokal war in der vergangenen Saison mal wieder im Achtelfinale Schluss, dieses Mal gegen Bayer Leverkusen. Danach sprach man vor allem über die gute Leistung und die bittere Rote Karte für Manuel Neuer. Als man sich in der Vorsaison im Halbfinale der Königsklasse Real Madrid geschlagen geben musste, war der Schiedsrichter das Hauptthema.

All die Misserfolge mögen sich individuell durchaus nachvollziehbar erklären lassen. In Reihe ergeben die Niederlagen allerdings ein Gesamtbild, das den Bossen zu denken geben sollte. Seit dem Sextuple-Sieg 2020 hat der Rekordmeister keinen einzigen Wettbewerb mehr gewonnen, der über K.o.-Spiele entschieden wird. Schlimmer noch: Es wurde in diesem halben Jahrzehnt nicht einmal ein einziges Finale erreicht.
Doch warum gelingt es der einst so gefürchteten "Bestia Negra" mittlerweile kaum noch, in typischer Bayern-Manier Widerständen zu trotzen? Wo ist die Entschlossenheit, der unbedingte Siegeswille, der auf höchstem Niveau den entscheidenden Unterschied macht? "Immer Glück ist Können!", sagte Trainer-Legende Hermann Gerland einst lapidar über den vermeintlichen Bayern-Dusel. Ein scheinbar plumper, aber treffender Satz, aus dem sich auch ein schmerzhafter Umkehrschluss ziehen lässt. San mia no mia?
FC Bayern gibt in der Außendarstellung bisweilen ein bedenkliches Bild ab
Dazu kommt, dass der Rekordmeister auch in Sachen Außendarstellung bisweilen ein bedenkliches Bild abgibt. Seit Jahren gelingt es den Verantwortlichen nicht, nach außen hin mit einer Stimme zu sprechen. Erst am vergangenen Wochenende hatte Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen betont, dass man sich nicht zu Transferspekulationen und Spielern anderer Vereine äußern wolle. Wenige Stunden später steht Ehrenpräsident Uli Hoeneß im Alten Botanischen Garten und plaudert fröhlich über das Interesse an Nick Woltemade, die Verlängerung von Nico Williams oder Gespräche von Max Eberl mit Milans Rafael Leao. Es ist nur das jüngste von vielen Beispielen, in denen man in der öffentlichen Kommunikation mehr als unglücklich wirkt.
Ex-Bayer Babbel schießt gegen Hoeneß: "Das größte Problem im Verein"
Der ehemalige Bayern-Spieler Markus Babbel übt daher heftige Kritik an Hoeneß. "Er merkt gar nicht mehr, dass er mittlerweile das größte Problem des FC Bayern ist. Er schadet dem Verein mehr, als er ihm im Moment nutzt", sagt Babbel im Interview mit "Absolut Fußball". Und weiter: "Uli Hoeneß gefällt mir überhaupt nicht, weil entweder machst du mit oder du bleibst weg, aber das Zwischendrin ist für alle Beteiligten ein Desaster."

Dass sich der FC Bayern im Vergleich zu anderen europäischen Top-Klubs aktuell nicht in der allerbesten Verfassung befindet, scheint sich mittlerweile herumgesprochen zu haben. Die hohe Fluktuation auf dem Trainerstuhl, die ausbleibenden Erfolge auf internationalem Parkett und die eher suboptimale Außendarstellung haben am Hochglanz-Image des Rekordmeisters gekratzt, wie sich im vergangenen Jahr bei der monatelangen Trainersuche und momentan auf dem Transfermarkt - Stichwort Absage von Florian Wirtz - zeigt.
Bei den Bayern wird einiges auf den Prüfstand gestellt werden müssen, sonst wird Manuel Neuer einer von wenigen bleiben, die mit großem Optimismus auf die nächste Saison blicken.