"Irgendwas kann da nicht stimmen": Thomas Tuchels hausgemachte Führungskrise des FC Bayern

München - Für Bayern-Trainer Thomas Tuchel ist die Ausgangssituation nach dem demaskierenden 0:3 im Topspiel bei Bayer Leverkusen und vor dem Hinspiel im Champions-League-Achtelfinale bei Lazio Rom am Mittwoch (21 Uhr/DAZN) eindeutig: Weitere Rückschläge sollte sich der Coach nicht mehr erlauben mit seinem Team, sonst wird es langsam, aber sicher eng für ihn.
Stefan Effenberg zerlegt den FC Bayern: "Du siehst gar nichts von den Jungs"
Es waren einfach schon zu viele Auftritte in dieser Saison, die jenem am Samstagabend in der BayArena ähnelten – etwa das 1:5 in der Liga bei Eintracht Frankfurt, das 1:2 im DFB-Pokal bei Drittligist 1. FC Saarbrücken oder auch das 0:3 gleich zu Saisonbeginn im Supercup gegen RB Leipzig. Leverkusen stellte nun zweifellos den Tiefpunkt dieser Saison dar. "Wir haben unsere schlechteste Leistung am wichtigsten Tag gebracht", sagte Manuel Neuer.
Was aus Bayern-Sicht besonders alarmierend war: Man hatte nicht wirklich den Eindruck, dass da eine Mannschaft auf dem Platz stand, die sich gegen die Pleite wehrte, die gegen ihr Schicksal ankämpfte. Mal abgesehen von Kapitän Neuer, fehlten Anführer auf dem Platz, die dem Team Halt gaben. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison offenbarte sich Bayerns Führungsproblem. "Es steht so viel auf dem Spiel", sagte der frühere Bayern-Kapitän Stefan Effenberg bei Sport1: "Und wenn du dann die Bayern siehst, die alles vermissen lassen. Du siehst gar nichts von den Jungs. Irgendwas kann ja da nicht stimmen."
Thomas Müller und Joshua Kimmich: "Die musst du in so einem Spiel aufstellen"
Effenberg, einst selbst ein Leitwolf im zentralen Mittelfeld, vermisste vor allem zwei Spieler auf dem Platz, die von Tuchel erst in der zweiten Halbzeit eingewechselt wurden. "Ich habe wirklich nicht verstanden, warum Thomas Müller in einem solchen Spiel nicht spielt. Oder Joshua Kimmich. Der ist im Leistungstief, aber eine zentrale Figur. Die musst du in einem solchen Spiel aufstellen. Das hat Thomas Tuchel nicht gemacht. Und das sind die Hauptgründe dafür, warum sie völlig verdient verloren haben." Eine These, die wohl so mancher Bayern-Fan teilte.
Müller ist auch mit 34 Jahren nach wie vor DER Leader dieser Mannschaft, der die Mitspieler auf dem Platz dirigiert, das Pressing organisiert - und das Team zudem nach außen vertritt. Auch in Leverkusen, als er zu einer Wutrede ansetzte. "Uns fehlen die Eier", kritisierte Müller: "Die Leverkusener zocken einfach, die suchen Lösungen. Das machen wir auch, aber nicht im Spiel, wenn der Druck da ist. Und wenn es im Training da ist, dann müssen wir auch mal die Spieler anpacken. Da brauchst du gar nicht in Richtung Trainer gehen."
Thomas Müller nimmt Trainer Tuchel in Schutz
Dass Müller Tuchel bei seiner Kritik außen vor ließ, ehrte ihn. Aber auch der Coach hat seinen Anteil daran, dass es kaum Führung auf dem Platz gibt. Und vor allem keine Achse wie beim Triple-Triumph 2020 unter Hansi Flick.

"Bei Bayern hast du das Gefühl, dass immer nur der läuft, der den Ball hat", sagte Didi Hamann bei "Sky 90": "Die Bayern machen momentan Einzelsport in der Gruppe. Und so spielen sie schon seit Wochen und Monaten." Tuchel habe Führungsspieler wie den gegen Leverkusen nicht eingesetzten Innenverteidiger Matthijs de Ligt, Kimmich oder Leon Goretzka in den letzten Wochen und Monaten "demontiert", bemängelte Hamann. "Da brauchst du dich nicht wundern, wenn du in so einem Spiel keine Führung hast."

Kimmich und Goretzka schwächte Tuchel schon vor Saisonbeginn, in dem er öffentlich einen neuen Sechser forderte. De Ligt ist inzwischen nur noch Innenverteidiger Nummer vier, Müller kommt ohnehin nicht über die Rolle des Jokers hinaus. "In so einem Spiel brauchst du die besten und erfahrensten Leute", meinte Hamann weiter. Bleibt abzuwarten, ob Tuchel nun gegen Lazio seine wichtigsten Führungskräfte von Anfang an spielen lässt.