Gerd Müller: „Miro soll mich überholen“

„Vielseitig, kopfballstark, gedankenschnell“: Gerd Müller, einst Bomber der Nation, ist ein Fan von Bayern-Stürmer Klose – und gönnt dem sogar, dass er seinen alten Torrekord beim DFB knackt.
MÜNCHEN Manchmal sind es die kleinen Freuden im Leben, die es ausmachen. Ein Tor etwa, mehr nicht. Für Miroslav Klose aber wäre es nicht irgendeines. Er hat es schon lange auf der Rechnung. Das gegen Werder Bremen, den Gegner des FC Bayern am Samstag (18.30 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) in der Allianz Arena. Klingt einfach, ist es aber nicht.
2007 wechselte Klose nach München, ein Tor ist ihm gegen seinen Ex-Verein bisher nicht geglückt. „Ja, ich weiß“, sagt er, „es wird Zeit.“ Die letzten vier Heimspiele hat Bayern gegen Werder nicht gewonnen. Auch das weiß er.
Was alle wissen: Klose (32) ist in Top-Form. Drei Tore in den letzten beiden Länderspielen zeugen davon, er selbst bestreitet das. „Wir WM-Fahrer sind noch immer mitten in der Saisonvorbereitung. Die Spritzigkeit und Schnelligkeit ist da, aber noch nicht das Konditionelle. Wir brauchen noch drei, vier Wochen.“ Schöne Aussichten. Trocken sagt der derzeit beste deutsche Angreifer: „Ich bin absolut noch nicht da, wo ich hin will.“
Was ist da schon ein Tor gegen Bremen? Der Mann hat größere Ziele. Nicht nur, dass die Bayern seinen am Saisonende auslaufenden Vertrag verlängern, nicht nur die EM 2012 in seinem Heimatland Polen – es ist mehr: schlicht der Olymp des deutschen Fußballs. Er will Gerd Müller überholen. Nach WM-Toren hat er bereits mit dem legendären Bomber gleichgezogen, seit dem Turnier in Südafrika hat Klose wie einst Müller 14 Treffer erzielt. Doch in der Rangliste aller Tore im DFB-Trikot scheint Klose der einzige zu sein, der die Marke 68 von Gerd Müller packen kann.
Darauf angesprochen gibt sich Klose bescheiden, macht sich kleiner als er ist, spricht davon, dass es ihm „peinlich“ wäre, „beinahe eine Frechheit“. Doch ist er Sportler genug, um zu sagen: „Ich möchte den Rekord knacken." Nur 13 Tore fehlen ihm. Eine Hochrechnung: Absolviert Klose bis inklusive eines möglichen EM-Finales 2012 jedes Länderspiel, hat er bis dahin 23 Gelegenheiten. Machbar.
Und genehmigt. Von höchster Stelle. „Miroslav hätte das absolut verdient“, sagte Gerd Müller der AZ, „er spielt seit Jahren konstant, hat einen enormen Ehrgeiz, kommt immer wieder zurück, wenn man glaubt, er steckt im Tief. Miro ist vielseitig, kopfballstark, gedankenschnell und clever im Abschluss.“
Aber wäre das Überholmanöver keine Majestätsbeleidigung - zumal Klose dann etwa doppelt so viele Länderspiele wie die Legende der 70er selbst (62 DFB-Einsätze) gemacht hätte? Müller, der Assistenztrainer der zweiten Mannschaft, zur AZ: „Nein, nein. Man muss die Tore erstmal machen. Ob gegen Argentinien oder gegen Aserbaidschan. Tor ist Tor. Er kann ja nichts dafür, dass es heutzutage mehr Länderspiele im Kalender gibt. Ich würde es ihm gönnen, er soll mein Nachfolger werden, er soll mich ruhig überholen." Und dann fügt der bald 65-Jährige lachend hinzu: „Ich kann mich ja nicht mehr wehren.“
Geht es nach dem Weltmeister von 1974, dürfte der Thronfolger nun für kurze Dauer Klose heißen. Denn auf Müller folgt Müller: Thomas Müller.
„Das dauert noch ein bisschen, aber er hat es drin", sagt der Altmeister. Fünf Treffer bei zehn DFB-Einsätzen stehen auf dem Konto des Bayern-Offensiven, der nächste Woche 21 wird. Noch 130 Länderspiele und 65 Tore - dann ist es soweit. Etwa 2022. Grob geschätzt.
Patrick Strasser