Geisterspiel gegen FC Barcelona: Wie sehr fehlen dem FC Bayern seine Fans wirklich?
München - Ein Geisterspiel in der Allianz Arena? Kennt Julian Nagelsmann nicht. Im Juli hatte der gebürtige Bayern seinen Job als Chefcoach beim FC Bayern München angetreten. Zu einer Zeit als die Corona-Pandemie dank des Sommers beinahe in Vergessenheit geraten war – auch, weil die bundesweite Inzidenz damals bei 5,1 lag (zum Vergleich: am Mittwoch bei 427,0).
Vom Saisonstart Mitte August bis Anfang November durften immer mehr Besucher in die Stadien, zum Heimspiel gegen den SC Freiburg am 6.11. durften 75.000 Fans in die Arena – ausverkauft. Auch für die Champions-League-Partie gegen den FC Barcelona wäre solch eine Kulisse statthaft gewesen: Trotz der Tatsache, dass die Bayern bereits als Gruppensieger feststehen, wäre es ein Fußball-Fest zum Abschluss der Gruppenphase geworden.
Bayerns erste Geisterspiel-Periode war historisch gut
Aber die Zeiten haben sich bekanntlich geändert. Das Spiel an diesem Mittwoch (21 Uhr, DAZN und im AZ-Liveticker) gegen den katalonischen Renommee-Klub muss ohne Zuschauer stattfinden. In München ist dies nach einem Beschluss des bayerischen Kabinetts vor zehn Tagen erstmals wieder seit Anfang Mai der Fall – und zunächst bis Jahresende.
"Es fühlt sich komisch an und ist nicht schön für diesen Rahmen“, sagte Nagelsmann am Dienstagmittag an der Säbener Straße über sein Geisterspiel-Debüt als Bayern-Trainer, "aber es ist so wie es ist, und wir müssen das so annehmen.“ Und das haben die Bayern in der Vergangenheit ziemlich gut, wenn ohne Zuschauer gespielt werden musste. In den 15 Partien nach Wiederaufnahme des Spielbetriebs ab Mitte Mai 2020 holten die Münchner unter Cheftrainer Hansi Flick 15 Siege – macht eine Siegquote von 100 Prozent. Das Resultat: das famose Triple.
Bayern nur mit vier Geisterspiel-Niederlagen - doch eine tat extrem weh
In der Spielzeit 2020/21 mussten die Bayern in 44 ihrer 50 Pflichtspiele ohne Fans auskommen, gewannen 73 Prozent der Partien, verloren lediglich vier Mal. Am schmerzhaftesten war die einzige Geisterspiel-Heimpleite: das 2:3 gegen Paris St. Germain im Viertelfinal der Königsklasse Anfang April, das man auch durch den 1:0-Auswärtserfolg nicht mehr ins Weiterkommen drehen konnte.
Unterm Strich aber steht: Bayern kann Geisterkicks. Erstens, weil die Mannschaften, die sich über ihr System, ihre Taktik und das Können der Einzelspieler definieren, meist durchsetzen gegenüber Teams, die sich von den Emotionen der Tribüne anstacheln lassen. Und in Thomas Müller, dem Spielertrainer auf dem Platz, hat Bayern den wohl lautstärksten Spieler der Liga in seinen Reihen.
Der 32-Jährige ist der Schlüsselspieler in einer leeren Schüssel. "Thomas ist einer, der sehr viel coacht, einen taktischen Plan hat und sehr viel versteht von anderen Positionen“, lobte Nagelsmann den Mittelfeldspieler, der über Geisterspiele einmal sagte, es fühle sich "atmosphärisch an wie bei Spielen der Alten Herren um 19 Uhr“. TV-Zuschauer können sich bei den nächsten Übertragungen also wieder über "Radio Müller“ freuen. Als Gratis-Zugabe.
Nagelsmann bedauert Geisterspiel, sieht aber auch Vorteile
"Rein aus arbeitstechnischer Sicht ist es natürlich nicht schlecht, dass die Spieler einen hören“, sagte Nagelsmann, der jedoch betonte, dass es "nie gut“ sei, wenn keine Zuschauer da sind. Auch der 34-Jährige, kein stummer Beobachter der Partien, muss sich nun wieder umstellen. "Wenn 50.000 brüllen, kann man auch mal etwas brüllen und keiner versteht es so richtig. Das ist jetzt anders. Ich muss meine emotionalen Dinge ein bisschen zügeln. Ich bereite mich darauf vor, dass mir kein emotionaler Fauxpas passiert“, meinte der Trainer mit einem Lächeln.
Er müsse sich mit lautstarker Kritik vom Spielfeldrand zurückhalten, etwa bei der Bewertung eines missglückten Passes seiner Spieler. Denn - Vorsicht: Das TV-Auditorium hört (wieder) mit. Geistercoaching hat eben auch seine Schattenseiten.
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