FC Bayern: Im Namen des Volkes
MÜNCHEN - Die Bosse Hoeneß und Rummenigge staunen über etwas Neues: über die bundesweite Euphorie um ihren sonst oftmals angefeindeten FC Bayern.„Die ganze Nation drückt uns die Daumen“
Die Schattenseiten des Erfolgs, es gibt sie. Selbst beim FC Bayern. Der Präsident ist angeschlagen, etwas erkältet. „Seit diesem Autokorso durch die Innenstadt nachdem wir die Meisterschaft gewonnen haben“, sagte Uli Hoeneß am Dienstag und bestellte sich einen Pfefferminztee.
Meisterschaft, DFB-Pokalsieg, das Champions-League-Finale als Krönung vor Augen – was ist schon so eine kleine Erkältung, wenn man schwebt? Ein Klacks. Titel und Trophäen sind die beste Medizin, ach was, das legale Doping dieser Tage. Ein ganzer Verein schwebt, die Bosse frohlocken. „Ich genieße das Leben derzeit wie lange nicht“, sagte Hoeneß der AZ, „und egal, wie das Finale am Samstag ausgeht, ich lass’ mir das nicht nehmen, was da rund um den FC Bayern passiert.“
Ein Verein im Schwitzkasten, positiv gesehen. Früher oft in die Enge getrieben und attackiert, wird der FC Bayern derzeit beinahe erdrückt von all der Sympathie. Den Bossen Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, dem Vorstandsvorsitzenden, ist dies drei Tage vor Madrid unheimlich. „Ich habe den Eindruck, dass uns die ganze Nation am Samstag die Daumen drückt“, sagte Rummenigge, der festgestellt hat, dass wir als Verein uns „unglaublich hoher positiver Imagewerte erfreuen können – etwas völlig Neues für uns.“
Bayern gegen Inter Mailand, es ist wie ein WM-Spiel. Im Namen des Volkes: Deutschland steht hinter Bayern.
Die AZ nennt die Gründe für die Sympathiewelle:
Die Spielweise
„Wir spielen eine überragende Saison – mit einer Schönheit, mit einer Leichtigkeit, die man einer deutschen Mannschaft nicht zugetraut hat“, sagte Rummenigge. Die Halbfinals gegen Lyon waren souverän, gegen Florenz und Manchester waren es „der große Wille, die Leidenschaft, die Fähigkeit, sich quälen zu können“ (Rummenigge).
Der Trainer
Mit seinem Auftritt auf dem Rathausbalkon samt Tanzeinlage mit OB Christian Ude hat Louis van Gaal viele Herzen gewonnen. „Da fällt mir nur Udo Lattek ein, der so ein Typ war“, sagte Hoeneß, „aber ich kenne Louis von vielen Abenden und Gesprächen, er kann einen hervorragend unterhalten.“ Aber auch das Fachliche schätzen die Bosse. „Van Gaal und Mourinho sind auf ihre Art in den Ländern, in denen sie arbeiten, Heros geworden“, sagte Rummenigge, „Louis lebt den Fußball sehr emotional, das macht ihn bei den Fans so beliebt. Er hat einen dramatischen Wechsel in den Imagewerten erfahren.“
Die Euphorie
Nie war der FC Bayern so en vogue. „Die Leute rennen uns die Bude ein. Wir werden völlig neue Umsatzrekorde mache“, schwärmte Hoeneß, „wir kriegen die Trikots kaum her, die bestellt werden. Am Samstag sind in der Allianz Arena 70000 Menschen und da findet gar kein Spiel statt, sondern nur Public Viewing! Das ist doch alles Wahnsinn!“
Die Amtshilfe
Im Finale könnte der FC Bayern der Bundesliga einen riesigen Gefallen tun. Wenn sie gegen Inter mindestens das Elfmeterschießen erreichen, überholt die Bundesliga in der Fünfjahres-Wertung der Uefa die italienische Serie A. Dann bekäme die Liga ab der Saison 2011/12 wieder den vierten Startplatz in der Champions League. Mehr Teams, mehr Spiele, mehr Einnahmen, eine größere Anzahl von Stars aus dem Ausland – ein positiver Dominoeffekt.
Noch einer darf sich Freude: Bundestrainer Löw bekommt im Falle des Triumphes für die WM in Südafrika sieben verzückte Bayern-Stars. Alle im Rausch.
Patrick Strasser