FC Bayern: "Brauchbarer Spieler"? Warum Rummenigge mit seiner Süle-Kritik nur teilweise recht hat
München - Nur wenige Manager haben den deutschen Fußball in den vergangenen Jahrzehnten derart geprägt wie Karl-Heinz Rummenigge. Ab Anfang der 90er Jahre leitete der einstige Weltklasse-Stürmer die Geschicke des FC Bayern und war maßgeblich an den Erfolgen des Rekordmeisters beteiligt. National wie international genießt der gebürtige Lippstädter, der sich im vergangenen Jahr aus dem aktiven Fußball-Business verabschiedet hat, noch immer höchste Anerkennung.
Entsprechend genau hört man hin, wenn sich Rummenigge zu Wort meldet. Wie zu Beginn der Woche, als der 66-Jährige bei "Sky" zum anstehenden Abgang von Niklas Süle befragt wurde. Dass der deutsche Nationalspieler den Rekordmeister nach Vertragsablauf im Sommer verlässt, ist für Rummenigge nicht allzu tragisch.
"Brauchbarer Spieler": Rummenigge kanzelt Süle ab
"Er war immer ein brauchbarer Spieler. Das Problem ist, er hat sich nie wirklich auf seiner Position durchgesetzt", meinte der einstige Vorstandsvorsitzende des FC Bayern. Nach seinem Kreuzbandriss im Herbst 2019 habe Süle den Anschluss verloren. "Das ist etwas, was er sich vielleicht auch mal überlegen sollte", sagte der 66-Jährige und resümierte: "In der Innenverteidigung ist Bayern München auch ohne Süle gut besetzt."
Harte Worte vom ehemaligen Bayern-Boss - doch hat er damit recht? Der Datendienstleister Opta hat für die AZ einen genaueren Blick auf Süles Zeit beim Rekordmeister geworfen und einen Vergleich mit dessen Teamkollegen in der Abwehr angestellt. Das Ergebnis? Rummenigge mag mit seiner Kritik teilweise recht haben - ganz unproblematisch ist der Abgang allerdings nicht.
Doch von vorn: Süle wurde im Sommer 2017 für geschätzte 20 Millionen Euro von der TSG Hoffenheim verpflichtet, um dem damals gesetzten Abwehrduo Jérôme Boateng und Mats Hummels Dampf zu machen. Schon in seiner Debütsaison etablierte sich der bullige 1,95-Meter-Mann in der ersten Elf, auch in den Folgejahren war er - wenn fit - eigentlich immer gesetzt.
Trotz guter Statistiken: Bayern ohne Süle erfolgreicher
Seit seiner Ankunft vor knapp viereinhalb Jahren absolvierte Süle 158 von 233 möglichen Spielen, 127 Mal stand er in der Startelf. Seine individuellen Statistiken lesen sich dabei ordentlich bis gut. Blickt man auf die für einen Innenverteidiger relevanten Werte wie Passquote (92 Prozent), Zweikampfquote (65 Prozent), Balleroberungen (6,2 pro 90 Minuten) sowie begangene Fouls (0,6 pro 90 Minuten), muss sich Süle in der Bundesliga vor niemandem verstecken.
Bemerkenswert: Auch aufgrund seiner Schnelligkeit wurde der Abwehr-Schrank im Schnitt nur jedes dritte Spiel von einem Gegenspieler überdribbelt.
Dies bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass die Bayern mit Süle besser waren als ohne ihn - statistisch ist tatsächlich das Gegenteil der Fall. Stand der 26-Jährige auf dem Platz, kassierten die Münchner im Schnitt mehr Gegentore (1,1 gegenüber 0,9), hatten eine deutlich schlechtere Siegquote (73 Prozent gegenüber 83 Prozent) und holten folglich auch weniger Punkte (2,3 gegenüber 2,6). Auch die Anzahl der zugelassenen Torschüsse war mit Süle (9,0) höher als ohne ihn (8,8). Ist der Nationalspieler für die Bayern also wirklich verzichtbar?
Bester Zweikämpfer der Bundesliga: Süle spielt eine gute Saison
Ganz so unproblematisch ist der Abgang des gebürtigen Frankfurters nicht, wie ein Blick auf die aktuelle Saison belegt. Laut den Daten von Opta ist Süle mit einer Zweikampfquote von 69 Prozent sogar der zweikampfstärkste Spieler der Bundesliga. Zudem wurde er n dieser Spielzeit nur ein einziges Mal ausgedribbelt - ebenfalls ein ligaweiter Bestwert!
Wirklich geprägt hat Süle das Bayern-Spiel in dieser Saison allerdings nicht. Im Vergleich zu Lucas Hernández (99 Ballkontakte) und Dayot Upamecano (95) hat er von den Innenverteidigern des Rekordmeisters mit 86 im Schnitt pro Spiel die wenigsten Ballkontakte. Zudem gehen seine Teamkollegen im Passspiel häufiger ins Risiko und spielen mehr Bälle ins eigene Angriffsdrittel. Während Süle im Schnitt 7,3 solcher Vertikalpässe pro Partie spielt, sind es bei Upamecano 10,2 und bei Hernández sogar 10,7. In den anderen relevanten Statistiken sind die zentralen Abwehrspieler der Münchner etwa gleichauf.
Julian Nagelsmann hätte Niklas Süle am liebsten behalten
Rein statistisch lassen sich Rummenigges Thesen also nur bedingt belegen. Die Bayern mögen im Sommer vielleicht nicht ihren besten Innenverteidiger verlieren - diesen einen herausragenden gibt es im Kader ohnehin nicht. Während seiner viereinhalb Jahre in München war jedoch stets eine verlässliche Option, mit 26 Jahren hat er zudem noch seine besten Fußballer-Jahre vor sich. Qualitativ werden die Münchner im Abwehrzentrum auch ohne ihn gut besetzt sein, quantitativ wird es allerdings eng. Die Suche nach einem Nachfolger läuft daher schon länger.
Trainer Julian Nagelsmann würde ihn jedenfalls lieber weiter bei den Bayern sehen. "Ich hätte ihn gerne behalten, deswegen spielt er auch viel. Ich sehe nach wie vor sehr viel in ihm", meinte Nagelsmann am Donnerstag. Das galt bei den Bayern offenbar nicht für jeden...