Interview

Barca-Experte Alex Truica: Was er über Hansi Flick und den FC Bayern sagt

Der ehemalige Bayern-Trainer Hansi Flick coacht nun den FC Barcelona. Die Katalanen gehen defensiv hohes Risiko – sagt Experte Alex Truica. "Ähnlich wie bei Bayern".
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Trainer des FC Barcelona: Hansi Flick.
Trainer des FC Barcelona: Hansi Flick. © IMAGO/Ricardo Larreina

AZ: Herr Truica, der FC Barcelona hat das letzte Spiel des Jahres mit 1:2 gegen Atlético Madrid verloren und ist auf Platz drei in der spanischen Liga zurückgefallen. Wie lassen sich nun die ersten sechs Monate unter Trainer Hansi Flick bewerten?
ALEX TRUICA: Barça hat hinten raus ziemlich geschwächelt mit nur einem Sieg aus den letzten sieben Liga-Spielen. Da ist der Mannschaft die Luft ausgegangen - und das war so nicht zu erwarten im Herbst, als Barça einen grandiosen Lauf hatte. Vor den letzten Spielen hätte ich definitiv gesagt, dass die Mentalität der Mannschaft besser geworden ist, der Glaube an sich selbst, die Art und Weise, wie sie Fußball spielen, vor allem, mit welcher Energie sie Fußball spielen, mit vielen Toren, oft vier oder fünf pro Spiel. Da hat man gesehen, dass Barça mit sehr viel Selbstvertrauen spielt, schneller als zuvor, mit mehr Klarheit. Und man kennt es ja vom FC Bayern unter Flick, dass sie nicht zufrieden waren, wenn sie 1:0 oder 2:0 geführt haben, sondern, dass sie immer noch weiter Tore schießen wollten. Das hat sich definitiv zum Positiven verändert, dass sie mehr Variationen in der Offensive haben, mehr Mittel finden, um den Gegner zu knacken, auch wenn dieser defensiv agiert. Nur irgendwie haben sie jetzt am Ende ein bisschen den Faden verloren. Sie wurden etwas geknackt.

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Barca mit hoher Abseitsfalle: "Sie übertreiben es auch ein bisschen"

Barça kassiert ziemlich viele Gegentore. Ist die Spielweise mit dem hohen Pressing teilweise doch zu riskant?
22 Gegentore sind es schon in der Liga nach 19 Partien. Die Spielweise ist sehr riskant aufgrund dieser hohen Linie der letzten Kette, die so hoch verteidigt, teilweise an der Mittellinie die Abseitsfalle stellt. Und da hat man gesehen, dass immer mehr Mannschaften es besser entschlüsseln können und mehr Mittel finden, wie man Barças hohe Abseitsfalle umspielen kann, vor allem über die Außen durch vertikale Pässe. Ich finde, sie übertreiben es auch ein bisschen. Da sollte etwas weniger Risiko genommen werden.

Flick setzt stark auf den Nachwuchs – auch aus finanziellen Gründen. Welche Spieler aus La Masia begeistern besonders?
Man muss dazu sagen, dass Flicks Vorgänger Xavi die grundlegende Arbeit geleistet hat. Er hat vielen jungen Spielern die Chance gegeben. Lamine Yamal war Xavis Entdeckung. Er blüht jetzt umso mehr unter Flick auf, aber ist ja auch irgendwo logisch, dass er sich weiterentwickelt. Gleiches gilt für Pau Cubasi und Alejandro Baldé. Ein Name, der wirklich mit Flick in Verbindung zu bringen ist, ist Marc Casado, den hatte wirklich niemand auf dem Schirm. Ich habe Spiele von ihm in der dritten Liga gesehen bei Barça B – und da hätte man wirklich nicht gedacht, dass er für die erste Mannschaft in Frage kommen und sogar Stammspieler werden könnte. Der zweite Spieler, den man nennen muss, ist Marc Bernal, der sich leider schwer verletzt hat. Dem hat Flick aus der Not heraus die Chance gegeben, weil es im defensiven Mittelfeld an Optionen mangelt. Bernal ist sehr schnell zum Stammspieler geworden, bis er sich sehr das Kreuzband gerissen hat. Aber er und Casado sind definitiv Flicks Entdeckungen.

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Barcelona kann in der Champions League jeden schlagen

Hat Barça trotz der Schwächephase noch Chancen auf den Titel in La Liga?
In der Meisterschaft ist es unerklärlich, warum sie plötzlich so nachgelassen haben. Vor allem die Niederlagen zuhause gegen Las Palmas und Leganés – das darf dir nicht passieren. Es können drei Mannschaften Meister werden: Barça, Real Madrid und Atlético. Real und Barça sind bislang sehr unstetig und unzuverlässig, beide Mannschaften lassen immer wieder Punkte liegen. Und deswegen kann man absolut keine Prognose abgeben, wie sich das entwickelt. Barca muss wieder konstanter werden, die zehntägige Winterpause tut ihnen wahrscheinlich ganz gut.

Und wie stehen die Chancen in der Champions League?
Da sah es bislang richtig gut aus. Barça kann jeden schlagen – wie den FC Bayern – und weit kommen, aber Barça kann es auch im K.o.-Spielen erwischen gegen die Großen. Es ist defensiv ein Spiel mit dem Feuer. Positiv ist: Barça ist wieder im Konzert der Großen dabei, das war jetzt zwei Jahre nicht der Fall. Die Mannschaft ist kompetitiver unter Flick, aber sie ist auch noch nicht so gut, wie man es im Oktober dachte, als sie dominiert hat. Man merkt, dass dieses junge Team mit den Pedris, den Casados, den Baldés, natürlich auch Yamals noch nicht die Konstanz hat. Und die bräuchte es, um wirklich vom Triple träumen zu dürfen.

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6 Kommentare
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  • Play Fair am 28.12.2024 15:09 Uhr / Bewertung:

    wenn ich schon lese "wurden geknackt"...
    halt ich für blanken unsinn.
    barca macht wohl einige fehler (wie die bayern auch), die dann zu gegentoren führen.
    o.k., dann sollte die eigene defensiv-taktik soweit verändert werden, damit das weniger häufig passiert.
    aber die taktik einer mannschaft "knacken"? dafür ist das spiel zu komplex.
    das ist schön plakativ, aber macht keinen sinn.

  • Downy am 27.12.2024 17:35 Uhr / Bewertung:

    Das System von Flick ist genauso wie das von Kompany Gift für Mannschaften, die viele Spiele in der Saison absolvieren müssen. Mit laufintensivem Pressing hat man nur kurzfristig Erfolg, dann kommt die Rechnung für das kräftezehrende Spiel in Form von sich mehrenden Verletzungen und müde dahinschleichenden Spielern. So kann man halt nur ein paar mal pro Saison gegen Topteams antreten, gegen technisch unterlegene Gegner brauchts einen Plan B, mit dem man Erfolge einfahren kann, ohne jedes mal ans Limit gehen zu müssen. Wir hatten mit Flick nur deshalb den maximalen Erfolg, weil die Saison wegen Corona entzerrt war und wir nicht im Drei- bis Viertagesrhythmus antreten mussten. Wie man kräftesparend spielt, fragt nach bei Guardiola oder van Gaal. Bei Kompany habe ich noch die Hoffnung, dass er sein System anpasst, er hat es ja schon etwas nach der Barca-Pleite modifiziert. Für Barcelona allerdings sehe ich schwarz, denn Flick hat keinen Plan B.

  • rosa kuntz am 27.12.2024 15:55 Uhr / Bewertung:

    Ich bin Hansi Flick noch immer sehr dankbar für die Ergebnisse beim FC Bayern und seinen in der Vereinsgeschichte einzigartigen Erfolg. Dass er den Mut hatte, sich dem FC Barcelona als Trainer zur Verfügung zu stellen, zeugt von seiner Liebe zum Fußball und dem Wunsch mit jungen Spielern zu arbeiten und sie voranzubringen. Dafür, dass dies den Katalanen selbst nicht gelungen ist, kann er nichts. Statt kritischen Anmerkungen aus den Medien (von wo sonst ?!) sollte man ihm dafür dankbar sein. Denn ein Club der mit solchen vielen Problemen außerhalb des Platzes zu kämpfen hat, kann sich glücklich schätzen, dass ein solch erfolgsreicher Trainer und ein wunderbarer Menschenversteher sich dieser Aufgabe gestellt hat. Dafür sollte er Respekt und Anerkennung UND
    bedingsungslose Unterstützung bekommen.

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