"Er könnte mein Vater sein"

Hier erklärt Matthias Sammer, der Sportvorstand des FC Bayern, dass er sich entgegen aller Gerüchte mit Cheftrainer Heynckes blendend versteht – und wieso er nie wieder selbst als Coach arbeiten will.
Patrick Strasser |
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Hier erklärt Matthias Sammer, der Sportvorstand des FC Bayern, dass er sich entgegen aller Gerüchte mit Cheftrainer Heynckes blendend versteht – und wieso er nie wieder selbst als Coach arbeiten will

AZ: Herr Sammer, duzen oder siezen die Spieler Sie als neuen Vorstand Sport eigentlich?

MATTHIAS SAMMER: Teils, teils. Einige Spieler kenne ich ja noch von meinen früheren Tätigkeiten, dann duzen wir uns.

Sie sind jetzt seit über sechs Wochen in Ihrem neuen Job an der Säbener Straße. Ziehen Sie doch mal eine erste Bilanz.

Ich bin sehr glücklich, dass ich hier bin. Vielleicht ist so eine Aussage für mich in dieser Deutlichkeit etwas untypisch, weil ich da sonst eher ein bisschen vorsichtig bin. Als ich die ersten zehn Tage überstanden hatte und mehrere Schleudertraumata hinter mir gelassen habe, kann ich sagen: Ich bin zu einem Klub gekommen, der mich begeistert. Meine Aufgabe ist es jetzt, den Klub zu begeistern, meine Aufgabengebiete so anzugehen, dass ich das leisten kann, was sich der Klub von meiner Person erhofft. Ich spüre diese Verantwortung – aber auch unglaubliche Freude, Leidenschaft und Begeisterung.

Wie muss man sich Ihren Alltag vorstellen, Ihren Tagesablauf?

Für eine erste Orientierung muss man sehr viele Gespräche führen, mein Fokus liegt jetzt auf der ersten Mannschaft. Es geht ja nicht darum, dass der Verein am Boden liegt, sondern darum, dass man drei, vier Prozent weiter entwickeln kann, es geht um Kleinigkeiten. Darüber sollte man sich ein Bild machen, im Gefühl und im Wort. Da bin ich mittendrin.

Sie tragen ein Polo-Shirt mit dem Aufdruck des Vereins-Leitmotivs „Mia san Mia”. Was sagt Ihnen dieses Motto?

Was mir auffällt, ist: Ich finde es grundsätzlich immer gut, wenn ein Verein ein Leitmotiv hat, das bedeutet Orientierung. Aber wir sollten vielleicht ein bisschen mehr daran arbeiten, aber weniger drüber reden. Es ist ein Motiv, das die Leute fühlen, sehen und erkennen sollten in der eigentlichen Ausstrahlung, im eigentlichen Auftreten.

Hat es in einem bestimmten Moment klick gemacht – dass Sie gesagt haben: Ah, das ist es!

Wir bewegen uns gegenseitig aufeinander zu.

Das Motiv und Sie.

Das Motiv ist sicherlich größer, aber mein Gedankengang zumindest. Ich lebe ja seit sechs Jahren nicht weit weg von hier (in Grünwald, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, d.Red.), war mit Menschen aus dem Verein bekannt, führte Gespräche mit vielen, die den Verein leben. Dabei habe ich die Sehnsucht herausgehört, das Motiv zu leben, dass dieser Geist, also das, was dieser Spruch beinhaltet, erkennbar wird – vor allen Dingen in schwierigen Konstellationen. Auf dem Spielfeld oder außerhalb. Dann drückt das Motiv eine unglaubliche Stärke aus. Was zu beweisen wäre für die Zukunft.

Haben Sie denn überhaupt schon eine Trainingseinheit verpasst?

Ich habe mal ein paar Minuten verpasst, ein oder zwei Mal. Wir basteln ja an der Zukunft, am heute und morgen des Vereins.

Ist es Ihre Maxime, so nah dran zu sein an der Mannschaft wie möglich?

Wir sprechen über Details, über Nuancen. Ich bin nicht für die Tagesarbeit zuständig, das macht der Trainer: Trainingsinhalte, Nominierung, Aufstellung. Das ist ganz klar geregelt. Aber der Sportdirektor hat die Verantwortung für die strategische Ausrichtung des Vereins. Also muss ich die Trainingseinheiten beobachten. Ich habe gesagt, ich möchte mit gewissen Themen der Administration und Organisation nichts zu tun haben. Ich möchte als Vorstand Sport mich mit den Inhalten beschäftigen, dem Trainer mit Rat und Tat zur Seite stehen, werde ihm aber nicht reinreden. Und: Es findet alles in Absprache mit dem Trainer statt, vom ersten Tag an. Jupp Heynckes und ich tauschen uns aus, spielen dann Doppelpass.

Jupp Heynckes hat zuletzt recht resolut klargestellt, dass er das Sagen hat, dass er die Ansprachen hält. Waren Sie über diese Heftigkeit in der Ansage verwundert?

Ich erwarte vom Trainer, dass er sich hinstellt und die Dinge klarstellt – auch gegenüber der Mannschaft. Das war absolut richtig. Er muss seine Stärke nach innen und außen demonstrieren, das hätte ich wohl noch deutlicher getan. Wir brauchen einen starken, souveränen Trainer. Ich habe einen Menschen kennen gelernt und gemerkt, dass es eine Freude ist, mit ihm zusammenarbeiten. Er könnte ja mein Vater sein, da geht es auch um das Thema Respekt. Wir haben ein so enges, vertrauensvolles Miteinander, das ich mir nicht in den kühnsten Träumen erwartet hätte. Das wird immer so sein. Am Ende des Tages muss der Trainer stark sein, ich arbeite im Hintergrund. Wir dienen beide dem FC Bayern. Dass ich so glücklich bin, dass ich hier bin, hängt auch stark mit dem Trainer zusammen, das ist mein Tagesgeschäft.

Sie sitzen auf der Bank, um direkt am Puls der Mannschaft zu sein?

Da unten sitzt du sehr flach, ich habe ja in den letzten Jahren immer oben auf der Tribüne gesessen, wo du einen viel besseren Überblick hast. Und jetzt steht auch noch ein Linienrichter vor mir, wenn wir auf das eine Tor spielen. Da weiß ich heute schon: Wenn ich vier Mal aufgestanden bin in einer kritischen oder torgefährlichen Situation, dann heißt es: Jetzt steht der Sammer schon wieder. Aber dann bin ich aufgestanden, weil ich nichts sehe.

Kann es sein, dass Sie im Laufe der Zeit wieder nach oben zum Vorstand und Präsident Uli Hoeneß umziehen?

Der rein optische Blick von der Bank befriedigt mich überhaupt nicht. Aber auch für den Trainer war das völlig klar: Selbstverständlich, der muss da mit runter auf die Bank, wir müssen da unten sprechen, auch mit den Co-Trainern. Wenn ich drei Mal den vierten Schiedsrichter nahezu umgebracht habe, muss ich über meine Position nachdenken. Stand heute sitze ich da unten, aber wenn ich das Gefühl habe: Ich seh’ da nichts, ich kann da nichts machen und habe meine Emotionen nicht im Griff, dann schade ich dem Ganzen. Aber ich werde ja auch älter.

Wie konnten Sie Hoeneß von Ihrer Person überzeugen?

Ich habe ihm gesagt: Das ist für euch eine Grundsatzentscheidung, die ihr treffen müsst: Wo willst du als Verein hin? Willst du so eine Position besetzen? Was willst du für eine inhaltliche Denkweise? Wenn es keine Grundsatzentscheidung gegeben hätte, wäre das Gespräch schnell beendet gewesen. Alle Leute im Verein haben mir zu 100 Prozent vermitteln müssen, dass sie mit dieser Maßnahme leben können.

Haben Sie jetzt das berufliche Glück gefunden oder würde es Sie irgendwann doch jucken, wieder täglich mit einer Mannschaft zu arbeiten?

Ich habe fünf Jahre in der Bundesliga als Trainer gearbeitet, aber das übt jetzt keinen Reiz mehr auf mich aus. Ich werde nie mehr Trainer.

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