"Diesen Spielern sollte man nun eine Chance geben": Bayern muss laut Matthäus aus der Not eine Tugend machen

Lennart Karl weiß schon ganz genau, wie man einen besonderen Moment zelebriert. Nach seinem herrlichen Schlenzer-Tor im Testspiel gegen Tottenham Hotspur setzte sich der Youngster des FC Bayern im Cristiano-Ronaldo-Stil auf die Werbebande vor der Südkurve und verschränkte die Arme. Fans und Mitspieler waren begeistert von dem Treffer, mit dem sich Karl endgültig ins Rampenlicht spielte.
Der 17-Jährige hat seinen Vertrag inzwischen verlängert, an seinem 18. Geburtstag im Februar wird er einen Profikontrakt unterschreiben. Und die Erwartungen sind dementsprechend groß. Karl trägt die Rückennummer 42, die zuvor Jamal Musiala gehörte. Sein Berater ist Michael Ballack. Und der Weg in die Spitze vorgezeichnet?
Eberl über Talente: "Keinem Hype folgen, sondern einer Entwicklung"
Da die Münchner mit einem der kleinsten Kader ihrer Historie in die Saison gehen, werden Toptalente wie Karl, Wisdom Mike (16), Jonah Kusi-Asare (18) oder David Daiber (18) dringend gebraucht. Anders als in der Vorsaison wird Trainer Vincent Kompany dem Nachwuchs eine Chance geben (müssen). Für die sportliche Führung um Max Eberl geht es nun darum, die Talente auf diesem Weg zu begleiten.
"Wir wollen eben keinem Hype folgen, sondern wir wollen einer Entwicklung folgen", sagte Eberl. "Und ich glaube, ganz, ganz viele junge Spieler sind irgendwo schon mal richtig auf der Strecke geblieben, weil sie extrem gehyped wurden. Und das ist eben gerade nicht unser Interesse. Unser Interesse ist, Jungs sich peu à peu in einem Umfeld entwickeln zu lassen, dass sie Bayern-München-Spieler werden können, dass sie ihre großen Ziele erreichen können. Das ist das, was wir realisieren müssen. Dafür brauchen wir das Umfeld."

Wanner: Erst gehypt, dann die Flucht
Ein Spieler, der schon in jungem Alter sehr gehypt wurde, war Paul Wanner. Doch der 19-jährige schaffte es letztlich nicht, sich bei Bayern durchzusetzen. Nun spielt er für die PSV Eindhoven. "Es kommt auf die Spieler an, die besser werden wollen, die sich Herausforderungen stellen wollen", sagte Eberl über Wanner: "In der Offensive sind wir relativ dünn und das kann jeder sehen."
Trotzdem entschied sich Wanner für den Wechsel – was den Sportvorstand verwunderte: "Wenn man dann nicht glaubt, dann muss man halt auch eine Entscheidung treffen. Und wir wollen an Spieler glauben. Wir wollen mit Spielern arbeiten, die Bock darauf haben, Bayern-München-Spieler zu werden. Und da gehören halt Schritte dazu. Und da gehört auch Mut dazu. Und mit denen wollen wir uns beschäftigen."
Matthäus-Empfehlung: "Diesen Spielern sollte man nun eine Chance geben"
Was auf Wanner jetzt nicht mehr zutrifft, auf Karl und Co. hingegen schon. Die Frage lautet: Wie oft wird Kompany in dieser Saison auf die jungen Spieler vertrauen? Denn bis zum Ende der Transferperiode am 1. September könnte der Kader ja auch noch verstärkt werden.
Lothar Matthäus ist der Meinung, dass die Youngster in der Vorbereitung "bewiesen" hätten, "dass sie auf hohem Niveau mithalten können. Diesen Spielern sollte man nun eine Chance geben und ich finde nicht, dass der Kader – selbst ohne den gehandelten Christopher Nkunku – zu klein ist", meinte der Sky-Experte – und kritisierte Kompany: "Für mich war es daher auch völlig unverständlich, dass Vincent Kompany gegen Stuttgart in der 80. Minute Raphaël Guerreiro für den angeschlagenen Serge Gnabry einwechselt. Guerreiro ist ohne Zweifel ein guter Spieler, aber ich bin sicher, dass die Bayern-Verantwortlichen hier gerne gesehen hätten, dass ein Youngster ins Spiel gekommen wäre."

"Mit solchen Entscheidungen nimmt Kompany ihnen das Vertrauen"
Denn, so Matthäus weiter: "Junge Spieler brauchen Selbstvertrauen und mit solchen Entscheidungen nimmt Kompany ihnen das. Vor allem, da sie in den Testspielen überzeugten und zudem ein Spieler eingewechselt wird, der auf der Position gar nicht zu Hause ist. Guerreiro kann natürlich im Mittelfeld spielen, aber eher auf der Acht oder Sechs und somit wäre für mich ein Eins-zu-Eins-Wechsel Gnabry für Karl sinnvoller gewesen. Am Ende muss das natürlich der Trainer entscheiden, aber was kann ein junger Spieler vorne rechts groß kaputtmachen bei einer Zwei-Tore-Führung?"
Eine berechtigte Frage. "Zudem hätte man ein Zeichen an alle jungen Spieler gesetzt, dass man ihnen beim FC Bayern vertraut", ergänzte Matthäus. "Nicht nur an Karl, der möglicherweise reingekommen wäre, sondern auch an die anderen Youngster. Diese Chance hat er verpasst, aber Kompany ist der Trainer und diese Entscheidung gilt es zu akzeptieren, auch wenn viele es wahrscheinlich anders gemacht hätten."
Das Gute aus Bayern-Sicht: In den kommenden Wochen werden die jungen Spieler wohl ihre Einsätze bekommen.