Die Tuchel-Bayern brauchen keine Dominanz mehr: Ist weniger plötzlich mehr?
München - Jahrelang galt an der Säbener Straße vor allem ein Grundsatz: Der FC Bayern muss nicht nur erfolgreich spielen, sondern soll auch die bayrische Dominanz ausstrahlen. Musterschüler seiner Zeit war Pep Guardiola (53). Der spanische Taktik-Fanatiker schnürte mit Spielern wie Thiago Alcantara (33), Arjen Robben (40) und Philipp Lahm (40) die Gegner regelrecht in die eigene Box.
FC Bayern braucht keine Dominanz für "attraktive und erfolgreiche Spiele"
Doch diese Zeit ist passé. Umgekehrte Welt herrscht in dieser Saison in München. Erfolgreich ist der Rekordmeister unter der Leitung von Thomas Tuchel (50) in Topspielen vor allem mit weniger Dominanz. Bestes Beispiel dafür: Der 1:0-Sieg gegen den FC Arsenal. Gegen die Gunners kamen die Bayern nur auf 51 Prozent Ballbesitz. "Es ist für uns dann ein bisschen einfacher, die Geschwindigkeit zu nutzen, wenn man tiefer steht und übers Umschalten kommt", erklärte Joshua Kimmich (29) nach dem Einzug ins Königsklassen-Halbfinale.
Damit meint der neue alte Rechtsverteidiger des Rekordmeisters vor allem Leroy Sané (28) und Jamal Musiala (21). Zustimmung dafür gibt es auch von seinem Coach. "Das wurden unter dem Strich sehr attraktive und erfolgreiche Spiele", so Tuchel vor dem Duell gegen Union Berlin, der im selben Atemzug aber eingestehen muss: "Es gab auch die Konstellation in den Spielen her. Wir haben gegen Mannschaften gespielt, die auch den Anspruch haben, dominant zu spielen."
FC Bayern kam unter Guardiola auf Ballbesitzwerte von über 80 Prozent
Dass dieses Rezept am Samstag (18.30 Uhr, live auf Sky und im AZ-Liveticker) in der Hauptstadt aufgeht, bezweifelt der 50-Jährige. Der Grund: Die Unioner sind nicht gerade dafür bekannt, die Spielkontrolle an sich zu reißen. Vielmehr setzt das Team von Coach Nenad Bjelica (52) auf Konter. Den Ballbesitz überlässt man hingegen lieber dem Gegner. "Dass wir uns damit etwas schwerer tun, ist nichts neues", betonte Tuchel. "Aber wir müssen in dem dominanten Spiel besser werden."
Am besten so wie unter Guardiola, als die Ballbesitzwerte standardgemäß die 70-Prozent-Marke übertrafen. In der Saison 2014/15 kam der FC Bayern unter dem Spanier beim 2:0-Sieg gegen den SC Freiburg sogar auf sagenhafte 81 Prozent Ballbesitz. Ganz so viel werden die Berliner den Münchnern den Ball zwar nicht überlassen, trotzdem wird es wieder deutlich mehr als am vergangenen Mittwoch in der Champions League.

Tuchel über Spiel bei Union Berlin: "Müssen hungrig sein"
Doch, dass Tuchel auf die Umschalt-Waffe ganz verzichten muss, glaubt er nicht: "Die Umschaltmöglichkeiten werden eventuell weniger, aber es wird sie auch geben." Vor allem bei Eckbällen oder Standards der Berliner gilt es deswegen für seine Spieler hellwach zu sein. "Wir müssen auf jeden Fall hungrig sein nach Balleroberungen und die Umschaltmomente erkennen und in dem Moment dann nicht rückwärts spielen und das Spiel verlangsamen", so Tuchel.
Spätestens in zwei Wochen wird es für die Bayern-Spieler dann auch wieder mehr der geliebten Umschaltaktionen geben. In der Allianz Arena steht am 30. April der erste Königsklassen-Ritt gegen Real Madrid an. Eine Woche später kommt es dann zum Showdown im Estadio Santiago Bernabéu, wo der FC Bayern das Ticket fürs Finale im Londoner Wembley Stadion lösen möchte.