„Die großen Zeiten für den FC Bayern kommen noch“

Karl-Heinz Rummenigge über die Final-Revanche gegen Inter, den italienischen Fußball, Bayern-Coach Louis van Gaal und  das Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund
von  SID

München - Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hat selbst  einige Jahre bei Inter Mailand gespielt. Vor dem Champions-League-Achtelfinale am Mittwoch (20.45 Uhr/Sky und SAT.1)  spricht Rummenigge im SID-Interview über die Final-Revanche gegen Inter, den italienischen Fußball, Bayern-Coach Louis van Gaal und  das Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund.

SID: „Karl-Heinz Rummenigge, Sie sind ein profunder Kenner des
italienischen Fußballs, speziell von Inter Mailand. Nach einer
fantastischen letzten Saison scheint Inter zu schwächeln...“

Karl-Heinz Rummenigge (Vorstandsvorsitzender Bayern München):
„Der italienische Fußball macht derzeit insgesamt den Eindruck, als
hätte er schon bessere Zeiten erlebt. Dies sieht man auch im
UEFA-Ranking, in dem die Italiener ihren Platz mit ziemlicher
Sicherheit an Deutschland verlieren werden.“

Woran liegt das?


„Ich glaube, dass der italienische Fußball in den
letzten zehn Jahren eine falsche Philosophie hatte. Da wurde
exklusiv in Superstars investiert und der eigene Nachwuchs
vernachlässigt. Inzwischen blicken die Italiener neidisch nach
Deutschland. Ob es die Nachwuchsförderung ist, ob es die Stadien
sind, oder unsere Fankultur: Deutschland ist den Italienern zurzeit
in vielem voraus.“

Wie bewerten Sie die Chancen am Mittwoch?


`Ich hätte am liebsten im November gegen Inter
gespielt. Da haben sie wirklich geschwächelt, da standen sie 15
Punkte hinter Milan. Jetzt sind sie wieder stabiler. Ich glaube
deshalb, dass es ein Spiel auf Augenhöhe wird. Italien hat bisher
in den K.o.-Spielen eine ganz schlechte Europapokal-Woche erlebt.
Inter wird alles daransetzen, um diesen Negativtrend zu stoppen und
wieder als einziger Klub aus Italien – wie in der vergangenen
Saison – weiterzukommen."

Da hatte Inter aber noch Jose Mourinho als Trainer...


„Ich glaube, dass Inter so einen Trainer wie
Mourinho gebraucht hat. Es war klar, dass die Nach-Mourinho-Zeit
für den Nachfolger, aber auch die Mannschaft, sehr schwer werden
wird. Es ist fast historisch zu belegen, dass eine Mannschaft, die
alles gewonnen hat, im Alltag Motivationsprobleme bekommt. Aber
solche Mannschaften können sich auch auf den Punkt konzentrieren,
eine unglaubliche Qualität entwickeln, wenn es um die 'big points'
geht. Ich glaube deshalb nicht, dass wir Favorit sind. Aber ich
glaube, dass die Voraussetzungen besser sind als im Finale im Mai.“

Hegen sich noch Revanche-Gedanken?


„Natürlich denkt man immer daran, wenn man ein
Finale verloren hat. In diesem Finale hat Inter gewonnen, weil sie
ein Stückchen cleverer waren. Dennoch: Wir haben weiter diesen
großen Traum, wir wollen die Champions League gewinnen. Diesen
Traum haben aber noch sechs, sieben andere große Klubs in Europa,
deshalb müssen wir alles in die Waagschale werfen, um diesen Traum
zu verwirklichen.“

Franck Ribery und Arjen Robben sind zurück. Ist es mit den
beiden Stars einfacher, sich diesen Traum zu erüllen?


„Die Grundvoraussetzungen sind mit Ribery und Robben
besser geworden. Und sie werden in den nächsten Jahren noch einmal
besser, Stichwort 'Financial Fair Play'. Der FC Bayern ist total
seriös aufgestellt. Wir müssen unsere wirtschaftliche Arbeitsweise
nicht verändern. Viele Klubs in England, in Italien, aber auch
Spanien müssen ihr Finanz-Gebaren aber dramatisch verändern, um in
Zukunft noch die Lizenz für die Teilnahme an der Champions League
zu erhalten. Ich glaube, dass die großen Zeiten für den FC Bayern
noch kommen.“

Der FC Bayern hat unruhige Monate hinter sich. Kann sich
der Verein ein Aus im Achtelfinale überhaupt leisten?

„Wir könnten es uns finanziell leisten, wir stehen
auf sehr gesunden Beinen. Aber wir wollen ins Viertelfinale. Es
ist, wie gesagt, ein Spiel auf Augenhöhe. Ein großer Klub, Inter
oder Bayern, wird sich verabschieden. Wir müssen sehen, dass wir
auf den Punkt topfit und 100 Prozent konzentriert sind. Auf diesem
Niveau darf man sich keine Fehler leisten. Das haben wir im letzten
Jahr gegen Florenz, Manchester und Lyon wunderbar umgesetzt. Ich
hoffe, dass uns das auch diesmal gelingt.“

Wäre bei einem Achtelfinal-Aus die Saison überhaupt noch
zu retten?

„Ich verfahre nach dem Motto: Denke positiv, dann
handelst du positiv, dann wird es auch positiv. Es stehen wichtige
und entscheidende Wochen bevor. Da wollen wir gut durchkommen.“

Gäbe es eine Konstellion ohne Titel, mit der sie zufrieden
wären?


 „Wir müssen in der Bundesliga Zweiter werden, um uns
direkt für die Champions League zu qualifizieren. Im Pokal wollen
wir ins Finale, dort wären wir dann Favorit auf den Titel. Und was
die Champions League betrifft, muss man abwarten.“


 Stellen Sie sich vor, es ist Champions League, und der FC
Bayern ist in der kommenden Saison nicht dabei...


 Rummenigge: „Ich stelle mir das nicht vor. Wir sind sicher, dass
es so nicht kommt.“


Ihr Präsident Uli Hoeneß hatte zuletzt Trainer Louis van
Gaal indirekt gedroht. Wie kam das bei Ihnen an?


Rummenigge: „Wir sind ein Klub, der polarisiert, in den von
außen schon genügend Unruhe getragen wird. Deshalb sollten wir
intern loyal und respektvoll miteinander umgehen.“

Zuletzt hatte man nicht immer den Eindruck, dass dies
geschieht.


„Uli Hoeneß ist immer extrem am Erfolg dieses
Vereins interessiert. Ich halte es für richtig, wenn sich der
Präsident von Bayern München Sorgen macht, wenn wir auf Platz fünf
oder sieben stehen.“

Louis van Gaal geriet zuletzt zunehmend unter Druck. Steht
der Klub noch geschlossen hinter ihm?

"Louis van Gaal ist nicht nur ein guter, sondern ein
sehr guter Trainer! Er hat das totale Vertrauen des Klubs und
insbesondere der Mannschaft. Gerade das Verhältnis zu den Spielern
ist sehr gut. Wenn der FC Bayern kontinuierlich mit einem Trainer
zusammengearbeitet hat, waren das immer die erfolgreichsten Zeiten."

Am Saisonende laufen einige Verträge aus. Gibt es schon
eine Tendenz, wen der FC Bayern behalten möchte?


„Wir wollen erst einmal die nächsten Wochen
erfolgreich überstehen. Wir werden uns dann überlegen, in welchen
Bereichen es nötig ist, Veränderungen herbeizuführen. Die Spieler,
deren Verträge auslaufen, werden Geduld und Verständnis haben
müssen.“

Auch der Schalker Torwart Manuel Neuer?

„Ich äußere mich nicht dazu.“


Ist die Abhängigkeit von Robben und Ribery nicht zu groß?"


„Ich bin sehr glücklich über diese Offensive, die
wir haben. Dazu zähle ich aber auch Müller und Gomez. Wir haben
zudem in Schweinsteiger und Lahm Spieler, die auf ihren Positionen
das Prädikat Weltklasse verdienen. Wir haben eine sehr stabile
Einheit, ein wunderbares Mannschaftsgerippe geschaffen. Diese
Spieler haben alle langfristige Verträge. Dass da immer ein, zwei
Spieler besonders herausstechen, ist normal. Bei Real ist es ein
Ronaldo, bei Barcelona ein Messi. Wir können uns sehr glücklich
schätzen, dass wir die zwei größten Highlights der Liga in unseren
Reihen haben: Und das sind Arjen und Franck.“

Muss an dieses Gerippe, wie Sie es nennen, nicht noch mehr
Fleisch?

„Wir haben Vertrauen in diese Mannschaft, die ich
qualitativ sehr hoch einschätze. Wenn was zu tun ist, werden wir
uns darüber Gedanken machen.“

Transfers in den Dimensionen Robben/Ribery schließen Sie
damit aus?

„Die Qualität ist das entscheidende Kriterium. Die
Finanzen müssen da im Kontext stehen.“

Am Samstag gastiert Borussia Dortmund in München. Schielen
Sie immer noch ein bisschen auf den Meistertitel?


„Wir müssen unsere Spiele gewinnen. Unser Ziel ist
es, den zweiten Platz zu sichern, die direkte Qualifikation zur
Champions League. Ich möchte da auch nicht jede Woche eine neue
Wasserstandsmeldung abgeben.“

Haben Sie Dortmund so eine Entwicklung zugetraut?

„Man muss respektvoll anerkennen, dass sie eine
tolle Saison spielen und der ganze Verein das sehr gut macht. Aber
man darf nicht den Fehler machen, nur immer die laufende Saison zu
sehen. Bayern München war in den letzten zehn Jahren die
überzeugende Nummer eins mit sechs Meistertiteln, davon viermal
sogar das Double.“

Ist es dem FC Bayern deshalb ein besonderes Anliegen, in
diesem Spiel die Verhältnisse zurechtzurücken?


„Das ist ohne Frage auch ein Imagespiel. Es geht
nicht nur um wichtige Punkte für beide Mannschaften, es ist ein
ganz besonderes Spiel.“

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