Der Vergleich: Wie viel Barça steckt in Bayern?
Breitner und Beckenbauer schwärmen vom Münchner Zauberfußball und vergleichen das Heynckes-Team bereits mit Messi & Co. Die AZ unterzieht die Bayern dem Barcelona-Check
München - Paul Breitner war der Erste. „Wir sind endlich auf dem Weg, einen Hochgeschwindigkeitsfußball à la FC Barcelona zu spielen.” Huiii, das B-Wort! Darf man das? Den eigenen Klub mit „der besten Mannschaft der Welt” (Zitat: alle) vergleichen? Einer wie Franz Beckenbauer darf das. Im AZ-Interview sagte der Kaiser: „Auch Barcelona ist zu packen, keine Frage.” Huiii, nicht nur vergleichen, sondern gar gewinnen können? Aber wenn der Beckenbauer es doch sagt! Der FC Barcelona spielt in der Champions League bei Celtic Glasgow, der FC Bayern empfängt OSC Lille. Höchste Zeit, die beiden Klubs mal zu vergleichen.
Der Stil: Tiki-Taka nennen die Spanier den Stil der Katalanen. Klingt nach Pippi Langstrumpf, meint aber dieses perfekte Kurzpassspiel, mit dem die spanische Nationalelf und der FC Barcelona seit Jahren jeden Gegner mürbe kombiniert. Der Stil der neuen Bayern? Eher ein Rib-Rap oder Toni-Taka. Taktgeber sind meist Ribéry und Kroos, oft mit dem Doppelpasspartner Thomas Müller. Bayern-Coach Jupp Heynckes verglich den Stil seiner Truppe gerade mit dem von Straßenfußballern. Präsident Uli Hoeneß fand, es sehe fast wie Kunst aus. Recht hat er.
Die Stars: Während bei Barça Super-Star Lionel Messi mit seinen 169 Zentimetern über allen steht, ist Bayern breiter aufgestellt. In der Abteilung Weltklasse spielt derzeit nur Ribéry, dahinter die Kollegen Lahm, Schweinsteiger, Neuer, Kroos und bald wohl wieder Robben. Heynckes wird nicht müde, sich über Tiefe und Qualität seines Kaders zu freuen. Seinem spanischen Kollegen geht es nicht anders: Im Mittelfeld tummeln sich Größen wie Xavi, Iniesta, Fabregas, Busquets und Mascherano.
Der Nachwuchs: La Masia heißt Barças Jugendakademie. Torwart Valdes, Xavi, Fabregas und Jordi Alba tragen das Barça-Dress, seit sie zehn oder elf sind; Iniesta kam mit zwölf, Messi mit 13 Jahren. Als Barça 2009 die Champions League gewann, standen sieben La-Masia-Absolventen in der Startelf. Angeblich wird dort bis zum Alter von 16 Jahren weder Kraft noch Ausdauer trainiert, sondern Tiki-Taka. Der FC Bayern, der in den vergangenen Jahren auch so manche Größe in seinem Fußballinternat ausbildete (Lahm, Schweinsteiger, Müller, Badstuber, Alaba) überarbeitet die Jugendarbeit derzeit. Federführend: Matthias Sammer, der schon den DFB-Nachwuchs auf Titelkurs brachte.
Die Trainer: Francesc „Tito” Vilanova i Bayó (43) trat das schwerste Erbe an, das man als Fußballtrainer antreten kann: das von Pep Guardiola. 2x Champions League, 2x Weltpokal, 3x Meister, 3x Pokal, 3x Supercup, 2x Weltklubtrainer – in vier Jahren. Doch das Barça-Gewächs Vilanova (im Klub seit 1984) schlägt sich wacker und glänzt mit Erfolgen. Die fehlen dem Kollegen Heynckes in seiner zweiten Bayern-Amtszeit noch. Sein zweiter Champions-League-Sieg nach dem Triumph mit Real Madrid (1998) blieb ihm am 19.Mai 2012 gegen Chelsea versagt.
Die Tradition: Di Stéfano, Puskás, Cruyff, Maradona, Ronaldo, Schuster, Lineker, Romario, Figo, Ronaldinho, Eto’o – auch Messis Vorgänger trugen klingende Namen. Der FC Bayern wurde dagegen erst Anfang der 70er zur großen Nummer auch auf internationaler Ebene. Die goldene Generation um Beckenbauer, Maier, Müller, Breitner und Hoeneß holte drei Mal in Folge den Europapokal der Landesmeister. Barça gewann die Königsklasse 1992 zum ersten Mal.
Das Standing: „Més que un club” („Mehr als ein Verein”) heißt das Vereinsmotto der Katalanen. Gründervater Joan Gamper sah den Klub als Repräsentant der Region Katalonien und in Abgrenzung zur Franco-Diktatur als „Verteidiger von Demokratie und Freiheit”. So politisch ging es bei Bayern nicht zu. Während Barça seit Jahrzehnten mit Real Madrid um die nationale Vorherrschaft streitet, steht der FC Bayern seit langer Zeit als Solitär an der Spitze. Daraus resultiert ein Selbstbewusstsein, das sich im Vereinsmotto wiederspiegelt: „Mia san mia!”
Die Stimmung: Europaweit hat Barça die mit Abstand meisten Fans: fast 60 Millionen. Bayern liegt dagegen bei der Mitgliederzahl klar vor den Katalanen. Im Stadion Camp Nou schwappt die Begeisterung meist in Wellen durch die Ränge, ähnlich der Atmosphäre in der Allianz Arena, wo wilde Anfeuerung zuweilen gespenstischer Stille weicht.
Das Geld: Laut Forbes-Magazin ist Barça der weltweit drittwertvollste Klub, zwei Plätze vor dem FC Bayern. Klub-Boss Hoeneß wird angesichts dieser Zahlen wohl nur müde lächeln. Er weiß: Sein Klub ist schuldenfrei, Barça mit 320 Millionen Euro in den Miesen.
Der Erfolgshunger: Vorteil Bayern! Seit 2001 gab’s keinen großen Titel mehr. Barça und Spaniens Nationalelf haben dagegen in den vergangenen Jahren so ziemlich alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt.
Die Form: Beide Klubs führen die heimischen Ligen an, jeweils mit großem Vorsprung auf die Konkurrenten Madrid und Dortmund. In der Champions League steht Barça mit drei Siegen aus drei Spielen jedoch deutlich besser da als der FC Bayern mit zwei Siegen und einer Niederlage.