Der Scheinfriede von Cluj

CLUJ - Erst verschärfte Coach Louis van Gaal durch seinen Konter während der Pressekonferenz in Cluj die Spannung zwischen sich und Bayern-Präsident Uli Hoeneß. Dann gaben sich die beiden stolzen Männer die Hand - zum Burgfrieden?
Sie gaben sich schließlich die Hand – hinter verschlossenen Türen freilich. Es war der zweite Handshake des Tages, aber die Frage bleibt: Haben Uli Hoeneß, der Vereinspräsident, und Chefcoach Louis van Gaal sich wirklich versöhnt? Ist es der Friede von Cluj oder eher eine erste Annäherung, dieser kleine Schlichtungserfolg von Mediator Karl-Heinz Rummenigge?
Gestern um 17.22 Uhr versandte der FC Bayern am Dienstag eine Pressemitteilung, die mit den Worten „Uli Hoeneß und Louis van Gaal finden gemeinsamen Weg" überschrieben war. So weit war es gekommen. Eine Beschwichtigung von Seiten des Vereins im Zoff zwischen zwei Alphatieren - das hatte es lange nicht gegeben.
Die Erklärung las sich auch sonderbar gestelzt. Nach Versöhnung inklusive tränenreicher Umarmung und Reue klang das nicht. „In einer offenen Diskussion hat man sich ausführlich ausgetauscht und auch ausgesprochen. Es wurde vereinbart, künftig öfter sich genau in diesem Kreis zu treffen und alle anstehenden Themen des FC Bayern München zu besprechen. Am Ende des Gespräches gaben sich Uli Hoeneß und Louis van Gaal die Hand und vereinbarten, auch künftig verantwortungsvoll zum Wohl des FC Bayern München zusammen zu arbeiten."
Der Scheinfriede von Cluj, eine Vernunft-Erklärung. Eine Zwangsehe? Die Situation war so für den Verein nicht tragbar, das bereits entstandene und noch zu erwartende Medienecho zu gewaltig.
Es war der zweite Handschlag des Tages. Der erste am Morgen fand in der Lufthansa-Maschine statt, die den Bayern-Tross nach Rumänien zum Champions-League-Spiel bei CFR Cluj (20.45 Uhr, Sat.1 und sky live) brachte: Van Gaal sieht Hoeneß, der erhebt sich aus seinem Stuhl. Reihe 2, Platz D. Handschlag, Guten Morgen hier. Guten Morgen da. „Ah, der Vorstand ist auch da", sagte van Gaal, als er Rummenigge sieht und machte Witzchen: „Ich brauche jetzt ein bisschen Unterstützung vom Vorstand." Dann ließ er sich in Reihe 1 Platz D, fallen – vor sich auf dem Schoß die Zeitungen des Tages, er murmelte: „Schöne Schlagzeilen!"
Bayern-Präsident Uli Hoeneß hatte die Arbeit des Bayern-Coaches Louis van Gaal durch harsche Aussagen in Frage gestellt und ihm Versäumnisse auf zwischenmenschlicher Ebene („Es ist schwierig, mit ihm zu reden. Weil er anderer Leute Meinung nicht akzeptiert. Aber ein Verein ist heutzutage keine One-Man-Show mehr") vorgeworfen.
Das konnte und wollte van Gaal nicht auf sich sitzen lassen. Es war kurz vor 16 Uhr Ortszeit, als sich der Trainer im Sala Crystal des Hotels „Opera Plaza Cluj", einem Raum mit dem Chic des Sozialismus, erklärte. Er, der Angeklagte.
Ruhig und konzentriert sprach er, doch die Sätze wurden schneller und schneller, seine Stimme zunehmend lauter. Man sah, wie aufgewühlt er war, wie sehr ihn die Attacken geschmerzt haben müssen. Er sei „erstaunt“ und „sehr enttäuscht“ von seinem Präsidenten. Er finde, „dass so ein Mann mit so einer Bedeutung für den Verein die Konsequenzen seiner Aussagen wissen müsste." (die Rede im Wortlaut: siehe Kasten).
Das Schlichtungsgespräch muss angesichts der delikaten Situation ohne Aussicht auf eine Entschuldigung unmittelbar danach stattgefunden haben. Zum Wohle des Vereins. Denn zuvor hatte Hoeneß noch der „SZ“ gesagt: „Ich bin nicht dazu da, den Trainer glücklich zu machen, sondern den Verein."
Der entstandene Schaden wird so schnell nicht repariert werden können, eine unbeschwerte Zusammenarbeit der beiden ist kaum denkbar. So erlangte nun ein eher unbekannter Ort mit rund 340.000 Einwohnern in Transsilvanien Berühmtheit: Cluj, die drittgrößte Stadt Rumäniens, steht nun für: die Eiszeit und einen der größten Konflikte zwischen einem Präsidenten und seinem Trainer in der Historie des FC Bayern München.
Patrick Strasser