Der Kimmich-Plan: Vielspieler und Wenigspieler

München - Ein junger Kerl wie Kimmich steckt das weg. Locker. Um 2 Uhr Ortszeit startete in der Nacht auf Montag die DFB-Chartermaschine der Lufthansa. Fünf Stunden Rückflug von Baku nach Frankfurt. Ankunft überpünktlich um 5.05 Uhr, dann weiter nach München. Kein Ding, schließlich haben die Vielflieger des FC Bayern vier Tage zur Vorbereitung bis Samstag, bis zum nächsten Ligaspiel gegen den FC Augsburg. Und Joshua Kimmich will keine Pause, braucht keine Pause. Jetzt, da er wieder zum Einsatz gekommen ist. In beiden Länderspielen über 90 Minuten, beim 1:0 gegen England und am Sonntag beim 4:1 in Aserbaidschan.
Kimmich, der Vielspieler des DFB-Teams, gleichzeitig der Wenigspieler des FC Bayern. Als einziger Nationalspieler machte der 22-Jährige die letzten elf Länderspiele Vollzeit mit, das sind nach der EM 720 Minuten. Ein Stammspieler ohne Wenn und Aber. Für sein Land ja – für seinen Verein nicht. Gegen Augsburg droht Kimmich wieder die Bank, obwohl die Einsatz-Chancen steigen, weil Xabi Alonso wegen seiner fünften Gelben Karte gesperrt ist und abzuwarten ist, in welcher Verfassung der Chilene Arturo Vidal von der WM-Qualifikation aus Südamerika zurückkehrt.
"Hat Spaß gemacht", sagte Kimmich über die Tage beim DFB. "Die Spiele haben mir sehr, sehr gutgetan, das war extrem wichtig. Um einfach den Rhythmus für das Spiel zu bekommen, das Gefühl. Es ist was anderes, als nur für 10, 15 Minuten reinzukommen. Spiele über die volle Spielzeit bringen einen jungen Spieler natürlich deutlich weiter." Bayern-Trainer Carlo Ancelotti sieht Kimmich als Mittelfeldspieler und da steht er in der Hierarchie hinter Alonso, Vidal und Thiago. Also bleiben Kurzeinsätze. Einmal über die vollen 90 Minuten in den 13 Pflichtspielen der Bayern nach der Winterpause, zwei weitere Male zählte er zur Startelf. In allen 38 Partien dieser Saison kommt Kimmich auf 1485 Minuten, macht 39 im Schnitt pro Spiel. Beim DFB sind’s eben 720 Minuten in elf Spielen.
Den Bundestrainer hat er längst überzeugt
"Natürlich wünsche ich mir, dass solche Spieler mehr zum Einsatz kommen", sagte Löw, der auf Kimmich als Rechtsverteidiger setzt. "Gegen England hat man ihm in einigen Situationen die fehlende Spielpraxis angemerkt", sagte Löw und Kimmich gestand ein, "zu viele Fehler" gemacht zu haben. Doch den Bundestrainer hat er längst überzeugt, da ändert ein schwächerer Auftritt nichts. "Für mich ist es selbstverständlich, dass ich zu so einem Spieler halte." Wie zu André Schürrle, dem Dortmunder Sorgenkicker, der mit zwei Treffern und einer Vorlage beim 4:1 zurückzahlte. Löw nannte auch "Lukas Podolski oder sogar Miroslav Klose" als Beispiele aus früheren Tagen. "Es ist gut, wenn wir den ein oder anderen Spieler aufbauen können oder in schwierigen Situationen in ihren Vereinen helfen." Gezeichnet Doktor Löw, Sanatorium DFB.
"Der Jo", wie Löw ihn nennt, hat glänzende Perspektiven. "Er ist ein junger Spieler, der bei der EM wirklich aus dem Nichts heraus explodiert ist." Als Rechtsverteidiger. Daher hofft der Bundestrainer: "Der Jo hat seine ganze Karriere noch vor sich und vielleicht ändert sich die Situation bei Bayern auch im nächsten Jahr, wenn Philipp Lahm aufhört. Ich kenne die Pläne dort nicht genau. Auf dieser Position ist er bei uns für die nächsten Spiele gesetzt. Es wäre ja schön, wenn Bayern da mit ihm für die Zukunft planen würde."
Im Hier und Jetzt, so Kimmich, "gebe ich immer Vollgas im Training". Auch wenn er dann nicht spielt. "So eine Phase versuche ich zu nutzen, um mich zu verbessern, damit ich dann voll da bin, wenn es drauf ankommt." Das zeichnet den ehrgeizigen Profi aus, sich zu sagen: Alles Schlechte hat sein Gutes.
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