„Dann habe ich losgeheult"

Früh gab er den Kampf gegen die Tränen verloren, als er vom Stadionsprecher bei der Verabschiedung als Letzter aufgerufen wurde. Was bei Hitzfeld wie ein Moment der Schwäche aussieht, kommt ganz stark an.
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„Es kam vieles zusammen: Die Atmosphäre, die Fans, die Musik – es war sehr emotional. Ich bin ein sensibler Mensch, habe ja auch ein paar Gefühle.“ Ottmar Hitzfeld.
sampics/Augenklick „Es kam vieles zusammen: Die Atmosphäre, die Fans, die Musik – es war sehr emotional. Ich bin ein sensibler Mensch, habe ja auch ein paar Gefühle.“ Ottmar Hitzfeld.

MÜNCHEN - Früh gab er den Kampf gegen die Tränen verloren, als er vom Stadionsprecher bei der Verabschiedung als Letzter aufgerufen wurde. Was bei Hitzfeld wie ein Moment der Schwäche aussieht, kommt ganz stark an.

Gerechtigkeitssinn. Disziplin. Gelassenheit. Selbstkontrolle. Was Ottmar Hitzfeld von sich verlangt, verlangt er auch von anderen. Da ist er ein Preuße, der Lörracher. Und als Mathematiklehrer rechnet er mit allem. Die Fragen nach seiner voraussichtlichen Gefühlslage beim zweiten Abschied vom FC Bayern hatten den 59-Jährigen zuletzt genervt. Freilich hatte er sie höflich beantwortet, als wäre es eine Emotionsvorhersage. Und dennoch lag er völlig daneben.

Früh gab er den Kampf gegen die Tränen verloren, als er vom Stadionsprecher bei der Verabschiedung als Letzter aufgerufen wurde. Hitzfeld, so schien es, wäre am liebsten wieder in den Katakomben verschwunden. Allein mit sich und seinen Emotionen. Doch er musste sich disziplinieren. In einem Moment, in der er die Selbstkontrolle verlor. Er umarmte die Vorstände Karl Hopfner, Karl-Heinz-Rummenigge und – besonders herzlich – Uli Hoeneß. Den Manager hatte er bereits angesteckt, auch der schluchzte.

Bei Hitzfeld waren es keine Tränen, es war ein richtiger Weinkrampf, den er hinter einem Blumenstrauß zu verstecken suchte. Als der Gefühlsausbruch auf den Leinwänden der Allianz Arena zu sehen war, gab es Beifallsstürme.

Starke Schwäche

Den Kampf gegen die Gefühlskontrolle hatte er verloren, seine Schwäche ließ ihn ganz stark wirken. „Es kam vieles zusammen: Die Atmosphäre, die Fans, die Musik, es war sehr emotional. Ich bin ein sensibler Mensch, habe ja auch ein paar Gefühle“, sagte er fast entschuldigend. Und beschrieb seine Emotionen wie Laufwege in einer Spielanalyse: „Als ich da vor dem Anpfiff am Spielfeldrand stand und Oliver Kahn (der sich ebenso vom FC Bayern verabschiedete, d. Red.) sah, wie er sich konzentrierte, dachte ich: Das schaffe ich nicht so wie der Olli. Und als ich dann auf den Platz gegangen bin, um offiziell verabschiedet zu werden, habe ich losgeheult.“

Es waren Glückstränen. Tränen der Erleichterung. Weil es vorbei war. Weil er es geschafft hatte. Zum dritten Mal nach 2000 und 2003 führte Hitzfeld die Bayern souverän zum Double. Tränenfrei. Dass er sich nun so gehen lassen würde, überraschte sogar Franz Beckenbauer. „Er wirkt ja immer so ein bisschen kühl“, sagte der Präsident, „dass es ihm so zu Herzen geht, hätte ich nicht gedacht.“

Hoeneß schon. „Das ist etwas, was ich erwartet hatte, denn ich kenne ihn ja schon viele Jahre“, sagte der Manager, „Ottmar ist nah am Wasser gebaut. Er weißt nicht, ob er das je wieder erleben wird, was er hier erlebt hat. Denn es ist kaum zu erwarten, dass er mit der Schweiz den Weltmeistertitel gewinnt.“

Lustreise für Hitzfeld

Und als Nationaltrainer wird er auch nicht den Druck verspüren, der ihn 2004 nach sechs Jahren ausgezehrt hatten und ihn im Winter auf Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung verzichten ließ. Nun ist er endgültig erleichtert, führt die Mannschaft ab Montag auf der zehntägigen Asienreise mit zwei Freundschaftsspielen an. Eine Lustreise für Hitzfeld. „Ich hoffe nicht, dass ich so unvernünftig bin und noch einmal Bundesliga-Trainer werde“, sagte er. Da kennt er sich.

Am Samstag, um kurz vor 15.30 Uhr, hat er eine neue Seite von sich kennengelernt.

Patrick Strasser

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