Beratungsrunde für Bundestrainer Löw: Hoeneß und Flick uneins

Nach der peinlichen Pleite der Nationalelf gegen Nordmazedonien erklärt Uli Hoeneß, wen er für die EM nominieren würde, er spricht sich gegen Jérôme Boateng aus. Bayern-Trainer Hansi Flick widerspricht sogleich.
von  Patrick Strasser
"Wir haben uns das selber eingebrockt", sagte Bundestrainer Joachim Löw nach dem peinlichen 1:2 gegen Nordmazedonien.
"Wir haben uns das selber eingebrockt", sagte Bundestrainer Joachim Löw nach dem peinlichen 1:2 gegen Nordmazedonien. © imago images/Jan Hübner

München - Erstmals in seiner Karriere war Ilkay Gündogan Kapitän der deutschen Nationalmannschaft - und dann das. Ein ebenso überraschendes wie peinliches 1:2 gegen Nordmazedonien, die Nummer 65 (!) der Fifa-Weltrangliste.

Gündogans Standard-Antwort: "Ich weiß es nicht"

Auf drei Fragen antwortete der Mittelfeldspieler von Manchester City im TV-Interview nach Abpfiff mit: "Ich weiß es nicht." Selten hat man einen DFB-Akteur unmittelbar nach einer Pleite so ratlos gesehen.

"Fakt ist, dass dies nicht passieren darf. Das ist nicht unser Anspruch. Gefühlt waren sie zweimal vor unserem Tor und haben zweimal getroffen, das ging zu leicht", sagte der ratlose Gündogan: "Wir sahen bei beiden Gegentoren nicht gut aus." Wie überhaupt in den 90 Minuten gegen den Underdog.

Daraus resultierte die erst dritte Niederlage für eine deutsche Mannschaft in einer WM-Qualifikation. Zuletzt hatte man im September 2001 mit 1:5 gegen England verloren. Besonders bitter für den nach der EM scheidenden Bundestrainer Joachim Löw: Es war sein letztes Pflichtspiel vor der Endrunde im Juni/Juli. "Die Enttäuschung ist riesengroß nach diesem Spiel", sagte Löw: "Wir haben uns das selber eingebrockt."

Keine Länderspiele mehr bis zur Nominierung des EM-Kaders

Der Trainer auch. Siehe Löws unnötige Umstellung von der erfolgreichen Vierer- auf eine Dreierkette, die zur Verunsicherung der Abwehr führte.

Nun beginnt die Zeit des Grübelns über den Kader. Löw kann nur Spielbeobachtungen und das Trainingslager in Seefeld (ab 25. Mai) heranziehen, Länderspiele stehen bis zur Nominierung am 1. Juni nicht an. Möglich, dass die Uefa aufgrund der Corona-Krise erlaubt, dass "zwei oder drei Spieler mehr nominiert werden können", sagte Löw. Also 26 statt 23 (darunter drei Torhüter).

Uli Hoeneß: Plädoyer für Müller, aber nicht für Boateng

Direkt nach dem peinlichen 1:2 gegen die Nobodys aus Nordmazedonien benannte Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß bei RTL seinen EM-Kader.

Natürlich warb er erneut vehement um Thomas Müller: "Er gehört da unbedingt rein, der ist immer für Tore gut und kann jeder Mannschaft der Welt in bestimmten Situationen helfen. Vor allem ist er ein Spieler, der immer gut gelaunt ist." Auch Mats Hummels vom BVB ("Er ist ein kopfballstarker Spieler, hat große Erfahrung und kann der Mannschaft auf jeden Fall was geben") sollte laut Hoeneß zurückkehren.

Innenverteidiger Jérôme Boateng, der dritte der im Frühjahr 2019 aussortierten Weltmeister, steht dagegen nicht auf Hoeneß' Liste. "Ich würde ihn nicht mitnehmen", so Hoeneß trocken. Denn mit Rückkehrer Hummels, Niklas Süle und Antonio Rüdiger, "der mir ganz gut gefällt, haben wir ja genug gute Abwehrspieler. Da sind wir gut besetzt." Ein indirekter Hinweis darauf, dass Boateng bei Bayern keinen Vertrag für kommende Saison erhält?

Rückkehr in den DFB-Kader? Flick setzt sich für Boateng ein

Hansi Flick dazu: "Das ist seine Meinung. Ich kenne das so von Bayern München, dass man seine Spieler immer unterstützt. Ich habe das immer so wahrgenommen und empfunden." Anschließend setzte Bayern-Trainer zu einer Lobeshymne auf Boateng an. "Er ist ein Spieler, der jeder Mannschaft gut tun kann."

Außerdem nicht in Hoeneß' Gedankenspielen: Routinier Marco Reus, Julian Brandt (beide Dortmund), Julian Draxler (Paris St.-Germain), Robin Gosens (Atalanta Bergamo) und Frankfurts Entdeckung der Saison, Amin Younes. Reus und Brandt hätten "nicht bewiesen, dass sie Spiele entscheiden können", sagte Hoeneß.

Hoeneß würde Bayern-Talent Musiala nominieren

Und Draxler sei "in Paris nicht weitergekommen und kann der Mannschaft keine entscheidenden Impulse geben". Younes spiele zwar in Frankfurt gut und hatte beim 2:1 gegen die Bayern ein sensationelles Tor erzielt, doch ob er der Nationalelf wirklich helfen könne, "wage ich zu bezweifeln".

Und Gosens? Er hat Hoeneß gegen Nordmazedonien "nicht überzeugt, das ist für mich ein Spieler, der nicht unbedingt gebraucht wird". Mitnehmen würde er "auf jeden Fall" die Teenager Jamal Musiala (18/Bayern) und Florian Wirtz (17/Leverkusen). Hoeneß: "Bei einem Turnier kann man reinschnuppern in die große weite Welt des Fußballs. Die müssen jetzt noch nicht spielen, die müssen in Katar oder spätestens bei der EM 2024 so weit sein."

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