Bayern vs Hannover: Ecken, die nicht wehtun
MÜNCHEN Es gibt da diese eine Statistik aus dem Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea vom 19. Mai, die Bayern-Fans immer noch körperliche Schmerzen bereitet. Eckbälle: 20 zu 1 für den FC Bayern steht da, in den offiziellen Büchern des Europäischen Fußball Verbands Uefa, untilgbar, schwarz auf weiß, wobei die 20 getretenen Eckstöße der Bayern freilich keinen Erfolg hatten, der eine der Londoner dafür schon, er führte zum 1:1 von Didier Drogba, kurz vor Ende der 90 Minuten.
In der aktuellen Bundesliga-Saison heißt eine Eckballstatistik des FC Bayern nun 87 zu 1. 87-mal sandte ein Bayern-Spieler den Ball von der Eckfahne in die Mitte, ein Tor fiel danach nur einmal, gleich zum Saisonauftakt beim 3:0 in Fürth, Dante köpfte, Thomas Müller staubte ab. 86-mal ging der Rekordmeister jedoch leer aus, dasselbe Problem wie am 19. Mai. „Wir arbeiten daran”, sagte Jupp Heynckes am Freitag und nahm diese Statistik durchaus persönlich, „meine Mannschaften waren in dem Bereich schließlich immer sehr gefährlich”.
Tatsächlich hatten sich Schalke, Gladbach und Leverkusen unter Heynckes stets als wahre Experten für Standardsituationen hervor getan. Nur der FC Bayern nicht. „Gegen Valencia waren wir gefährlicher als sonst”, erkannte Toni Kroos zumindest Besserung. Dort, in Spanien, hatte er beim 1:1 am Mittwoch einige Male gekonnt auf Dantes Wuschelkopf gezielt, auf ein Champions-League-Tor nach Ecke wartet Bayern aber immer noch. „Einmal hat jemand auf der Linie geklärt”, sagte Heynckes am Freitag, mehr als Schutzreflex.
„Der letzte Wille, der letzte Schritt, der letzte Biss – diese Geilheit” vermisst Sky-Experte Lothar Matthäus beim FC Bayern, auch bei Standardsituationen. Statistisch gesehen fallen normalerweise rund ein Viertel aller Tore nach Eckbällen oder Freistößen. Bayern dagegen erzielte 30 der 33 Ligatore aus dem Spiel heraus. Dazu kommt Müllers Tor in Fürth, ein Eigentor von Fürths Thomas Kleine und David Alabas Foulelfmeter gegen Frankfurt. „Standardsituationen sind gerade im modernen Fußball extrem wertvoll”, sagte Mirko Slomka unlängst der „Süddeutschen”.
Slomka ist am Samstag mit Hannover 96 zu Gast in München, seine Mannschaft ist da, wo Heynckes hin will, ein Standardmonster, traf diese Saison schon neunmal, Ligaspitze. „Wenn sich gut organisierte Teams auf Augenhöhe begegnen, kann ein Standard den Ausschlag geben”, weiß Slomka, Chelsea lässt grüßen.
An fehlender Durchsetzungskraft im Strafraum oder Kopfballschwäche liegt’s beim FC Bayern jedenfalls nicht. Nach Flanken aus dem Spiel heraus sind Heynckes’ Mannen top, zwölf Tore stehen da zu Buche. Nur eben bei Ecken und Freistößen, da fehle einfach „dieser Killerinstinkt”, meinte zuletzt auch Manuel Neuer: „Bei so vielen Standards, die wir haben, fehlt ein Tor. Danach sehnen wir uns.” Bei der Jahreshauptversammlung des Vereins vergangene Woche sah sich auch ein ulkiger Waldschrat älteren Semesters mit Lederhosn und Gamsbart am Hut dazu bemüßigt, das Thema anzusprechen.
„Wie schaut’sn eigentli’ aus, mit dene Eck’n und de’ Freisteß’?”, fragte der Mann da unter Gejohle des Publikums. Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge versprach, sich des Themas anzunehmen und den Mann zur Not mal zum Training an die Säbener Straße einzuladen. Gut möglich, dass sich dieser Besuch demnächst aufdrängt. Vielleicht ja schon nach Hannover – das hat nach Ecken nämlich noch überhaupt kein Gegentor kassiert.