Dieter Hegen über das DEB-Team: "Eine Charaktertruppe, die niemals aufgibt"

Eishockey-Legende Dieter Hegen zieht nach drei Spielen der deutschen Nationalmannschaft bei der Heim-WM eine Zwischenbilanz in der AZ: „Das Viertelfinale ist drin – alles andere ist Träumerei.“
Köln - Dieter Hegen ist eine deutsche Eishockey-Legende, er nahm an fünf Olympischen Spielen. 2010 wurde der siebenmalige deutsche Meister in die Hall of Fame aufgenommen.
AZ: Herr Hegen, die deutsche Nationalmannschaft hat bei der Heim-WM nach drei Spielen einen Sieg über die USA und Niederlagen gegen Schweden und Russland auf dem Konto. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz aus?
DIETER HEGEN: Alles in allem sehr positiv. In dieser Gruppe sind Russland, Schweden und die Amis die mit Abstand besten Teams, es ist uns gelungen, einen der drei Großen zu ärgern und den USA einen Sieg abzutrotzen. Gegen Schweden haben wir 40 Minuten auch wirklich gut mitgehalten und gegen Russland war das Spiel nach dem blöden Foul vom Patrick Hager eigentlich entschieden. Als seine Strafe vorbei war, stand es 0:3. Da ist das Spiel natürlich vorbei. Aber: Die Mannschaft hat sich nicht hängen lassen, das hätte auch ganz bitter enden können. Aber wir haben hier wirklich eine Charaktertruppe, die niemals aufgibt. Das gefällt mir alles gut. Soweit ist es perfekt.
Jetzt stehen die Partien gegen die Slowakei, Dänemark, Italien und Lettland an.
Ja, das sind die Gegner, mit denen wir auf Augenhöhe sind, die wir aber auch schlagen sollten. Es werden zwar sicher keine Selbstläufer, aber wir haben das im Kreuz, all diese Mannschaften zu besiegen. Und wenn wir diese Punkte holen, dann haben wir es unter die ersten Vier der Gruppe geschafft, damit wären wir im Viertelfinale. Das ist das Ziel, das muss das Ziel sein, aber alles andere ist nur eine Träumerei. Die Realität sieht so aus, dass wir zwischen Platz sechs und zehn in der Welt stehen.

Absolut überragend gerade im Spiel gegen die USA war Torhüter Thomas Greiss.
Das war Irrsinn, das war fast unmenschlich, was der Greiss da alles pariert hat. Allein in den ersten fünf Minuten hat er ja drei Hundertprozentige der Amerikaner entschärft. Bevor unsere Spieler überhaupt realisiert hatten, dass die Partie, die WM, losgegangen ist, hätte es 3:0 für die Amerikaner stehen können. Aber wenn ein Torhüter so hält, dann bringt das die gegnerischen Stürmer echt zur Verzweiflung. Solche Leistungen sieht man nicht oft, das war fantastisch. Es ist kein Zufall, dass sich Greiss in der NHL durchgesetzt hat, die Nummer 1 bei den New York Islanders ist. Er ist überrragend.
Wie schwer wiegt der Verlust von NHL-Stürmer Tobias Rieder, der sich gegen Russland am Knie verletzt hat und für den die WM bereits vorbei ist?
Das ist ganz bitter. Wir in Deutschland sind sicher nicht in der Lage, Rieder mit einem Spieler gleichwertig zu ersetzen. Wir haben 25, 30 Spieler, die ein wirklich ordentliches Niveau haben. Aber dahinter wird es schon etwas dünn. Aber Verletzungen wie jetzt die von Rieder gehören zum Eishockey dazu, ich mag es nicht, wenn sowas als Entschuldigung dienen soll, dann müssen eben andere über sich hinauswachsen. So schaut’s aus.
Und vielleicht kommt ja noch Verstärkung aus der NHL. Was sagen Sie eigentlich zu Leon Draisaitl, der in Edmonton für Furore sorgt?
Überragend, das ist à la bonne heure. Ich habe ihm viel zugetraut, aber dass er so schnell dermaßen durchstartet, hat mich doch überrascht. Er ist auf dem Weg, ein Superstar in der NHL zu werden. Das freut mich ungemein, das kann unserem Sport nur guttun. Ich hoffe sehr, dass wir ihn bei der WM noch im deutschen Trikot sehen, das würde uns einen Auftrieb geben.
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