Wittelsbacher Ausgleichsfonds: Grüne fordern Abschaffung, Frauen vom Herzog mehr Geld
Im Herbst 1918 endete nach 738 Jahren die Herrschaft der Wittelsbacher in Bayern – König Ludwig III. wurde abgesetzt. Im Landtag des jungen Freistaats setzte sich die Auffassung durch, dass man die Wittelsbacher für den Verlust des Familieneigentums entschädigen müsse.
1923 einigten sich die Regierung und das einstige Herrscherhaus. Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF) wurde gegründet. Die ehemalige Königsfamilie verzichtete dauerhaft auf alle weiteren vermögensrechtlichen Ansprüche gegen den Freistaat.
Wittelsbacher und Freistaat Bayern: 1923 wurden die Vermögensverhältnisse geklärt
"Es war dringend erforderlich, die Vermögensverhältnisse zwischen den Wittelsbachern und dem Freistaat Bayern zu klären! So wurde dann 1923 ein Kompromiss gefunden, der wiederum in ein Gesetz vom 9. März 1923 zusammengefasst wurde. Dieses Gesetz besagt, dass die ehemaligen Vermögenswerte und Teile der Liegenschaften nicht direkt an das Haus Wittelsbach zurückfließen, sondern in eine neu errichtete Stiftung. Der WAF ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts. Es gibt also einen Verwaltungsrat, der sich um Erhalt der Stiftung kümmert und die Stiftung muss sich natürlich, wie alle anderen Stiftungen auch, an Gesetze halten", erklärt Royal-Expertin Charlotte von Oeynhausen der AZ. Für die Stiftungsaufsicht bestellen das Finanz- und das Wissenschaftsministerium zwei Staatskommissare.

Wittelsbacher-Millionen seit 100 Jahren im Ausgleichsfonds
Der Fonds verwaltet verschiedene Vermögenswerte, darunter Immobilien, Kunstwerke und andere Wertgegenstände, die im Laufe der Jahrhunderte von den Wittelsbachern angehäuft worden waren. Bis heute ist das 100 Jahre alte Gesetz gültig.
Jährlich kassieren die Wittelsbacher über den Ausgleichsfonds einen zweistelligen Millionenbetrag (15 Millionen Euro für das Geschäftsjahr 2021). Vor allem die bayerischen Grünen kritisieren diese "Privilegien für frühere Adelige", die nicht mehr zeitgemäß seien. Erst wenn es keine neuen Familienmitglieder der Wittelsbacher gibt, fällt das gesamte Vermögen an den Freistaat Bayern.

Adelshaus-Expertin: Kulturelles Erbe der Wittelsbacher muss erhalten bleiben
Die Kritik am WAF kann Adelshaus-Expertin Charlotte von Oeynhausen nicht nachvollziehen: "Es wurde nun mal gesetzlich festgestellt, dass die Familie Zahlungen bis zu ihrem Aussterben erhält. Zudem muss man doch verstehen, dass zum einen der WAF sich nicht nur um das kulturelle Erbe des Hauses Wittelsbach kümmert, sondern auch das Bestehen des Hauses Wittelsbach gewährleistet. Wir Bayern können doch stolz und dankbar sein, dass Millionen von Touristen jedes Jahr nach Bayern strömen, um diese fantastischen Bauten zu besichtigen und somit der Freistaat von dieser ehemaligen regierenden Familie profitiert."

Vermögen des Wittelsbacher Ausgleichsfonds mit Immobilien, Flächen und Schlössern
Die Schlösser Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee gehören nicht zum WAF-Vermögen, da sie bei der Aufteilung der Verlassenschaft König Ottos von Bayern (Bruder von König Ludwig II.) schon dem Staat zugeteilt worden sind. Auch die Münchner Residenz und die Schlösser Schleißheim und Nymphenburg gingen an den Staat. Sie sind heute in der Obhut der Bayerischen Schlösserverwaltung.
Nicht zum Wittelsbacher Ausgleichsfonds gehört das Privatvermögen der Familienangehörigen, darunter der Besitz der früheren Herzoglichen Linie (erlosch 1973 im eigenen Mannesstamm). Gemeint ist das Kloster Tegernsee mit dem Brauhaus, Wildbad Kreuth, Ländereien des Klosters Banz sowie die Schlösser Wildenwart, Leutstetten und Kaltenberg (samt Brauerei).
Im Ausgleichsfonds befinden sich dagegen Unternehmensanteile, Mietshäuser in München, Grundbesitz in der Land- und Forstwirtschaft sowie die Schlösser Hohenschwangau, Berchtesgaden, Berg und Grünau.
Wittelsbacher Ausgleichsfonds: Franz Herzog von Bayern bekommt als Familien-Chef das meiste Geld
"Verwaltet wird der Wittelsbacher Ausgleichsfonds von hochkarätigen Menschen, die wissen, wie man Geld anlegt, um Kulturgüter zu erhalten. Und das seit nunmehr 100 Jahren", ergänzt von Oeynhausen im AZ-Gespräch.
Und weiter: "Die jährliche Millionensumme wird auf die jeweiligen Linien der Familie verteilt." Laut Finanzministerium fließt das Geld vor allem an Franz Herzog von Bayern, der seit 1996 Wittelsbach-Chef ist und als Familienoberhaupt Wohnrecht im Nymphenburger Schloss hat (im zweiten nördlichen Seitenpavillon).
Kein Steuergeld vom Freistaat: Stiftung erwirtschaftet Geld selbst
Der Verteilungsschlüssel ist geheim. Michael Kuemmerle, der Vorsitzende der WAF-Geschäftsführung, verrät nicht, wie viele Familienmitglieder sich die Ausschüttung teilen. Die Rangordnung im Stammbaum entscheidet also, wie viel Apanage einem Mitglied des ehemaligen Herrscherhauses zusteht. Der Steuerzahler wird nicht durch den WAF belastet. Die Stiftung erwirtschaftet ihr Geld selbstständig. Die Gewinnausschüttungen sind daher keine Zahlungen des Freistaats.

Töchter von Max Herzog in Bayern sind geschäftstüchtige Frauen
Frauen können kein Oberhaupt des Hauses Wittelsbach werden. Charlotte von Oeynhausen zur AZ: "Im Hause Bayern gilt die jakobitische Nachfolge. Zudem gibt es eben testamentarisch festgelegte Hausgesetze, an die manche Familien gebunden sind. Bei manchen Häusern bedeutet das auch, dass nur ein männlicher Nachkomme das Erbe antreten darf, denn dieser ist auch zugleich immer Namensträger."

Frauen haben "natürlich etwas zu sagen", betont die Adelshaus-Expertin. "Da muss man auch nicht weit in die Ferne blicken, denn da reicht schon der Blick von Schloss Nymphenburg an den Tegernsee. Herzog Max [Bruder von Herzog Franz, Anm. d. Red.] hat tolle und sehr geschäftstüchtige Töchter, die bereits viele Aufgaben übernommen haben."
Wittelsbacher: Herzog Franz hat keine Kinder, Bruder Max nur Töchter
Seit geraumer Zeit gibt es Gerüchte, dass die Frauen der Wittelsbacher mehr Geld aus dem Ausgleichsfonds und von Herzog Franz fordern. Charlotte von Oeynhausen kennt diese Spekulationen. "Ich schenke dem aber wenig Glauben."

Uneinigkeiten oder gar einen Streit gibt unter den Frauen oder Schwestern nicht. Vor allem die Töchter von Max Herzog in Bayern haben untereinander ein hervorragendes Verhältnis.

Zehntausende Kulturschätze der Wittelsbacher in den Pinakotheken
Die Wittelsbacher haben mithilfe des Ausgleichsfonds ein "Museum der bayerischen Könige" bei Schloss Hohenschwangau und Schloss Neuschwanstein errichtet. Dieses erfüllt den zweiten großen Zweck der Stiftung: Die umfangreichen Kunstsammlungen der Wittelsbacher werden der Allgemeinheit öffentlich gemacht.
Der Fonds sei daher alles andere als ein verstaubtes Privileg, so die Royal-Expertin. In den Museen und Sammlungen des Freistaats Bayerns befinden sich rund 43.000 Kulturgüter aus dem Besitz des Fonds. 13.500 weitere Schätze verwahrt die Stiftung selbst.

Grünen-Chef Ludwig Hartmann fordert Ausstieg aus dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds
Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann sieht den WAF dennoch kritisch und fordert ein Ende des immerwährenden Millionensegens. "Diese Lösung wurde damals nur gewählt, weil man Angst hatte, die gerade gewonnene, junge Demokratie gleich wieder zu verlieren", sagt Hartmann.
"Heute haben wir eine starke Demokratie, die Verhandlungen auf Augenhöhe mit ehemaligen Königshäusern nicht scheuen muss." Nach 100 Jahren könnte man "eine Ausstiegslösung finden". Eine Möglichkeit wäre die Einsetzung einer Expertenkommission.
Nicht mehr zeitgemäß, finden die Grünen – doch es gibt einen Knebelparagrafen
Rechtlich sind der Staatsregierung seit hundert Jahren die Hände gebunden. Der Vertrag von 1923 enthält einen umstrittenen Paragrafen: Wird der Fonds ohne Zustimmung der Wittelsbacher aufgelöst, fällt das gesamte Eigentum an die Familie. Die Bilanzsumme belief sich Ende September 2021 auf über eine halbe Milliarde Euro.
Nach der Revolution 1918 sei eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung erforderlich gewesen, weil es im Laufe der Zeit zu einer Vermischung von Privatvermögen der königlichen Familie und Staatsvermögen gekommen sei, so Michael Kuemmerle, der Vorsitzende der WAF-Geschäftsführung. "An dieser Grundlage hat sich bis heute nichts geändert, sodass keine Veranlassung für eine Auflösung des Fonds besteht."
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