Interview

Üble Zustände in der Film-Branche: Warum so viele Darsteller schweigen

Zimperlich ging's hinter den Kulissen noch nie zu. Doch mit dem Skandal um Regisseur Til Schweiger blickt jetzt eine große Masse auf die Film-Branche. Über Machtmissbrauch und Missstände sprechen wollen nur wenig Betroffene, wie Schauspielerin Mareile Blendl weiß.
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Til Schweiger sieht sich aktuell mit Anschuldigungen konfrontiert
Til Schweiger sieht sich aktuell mit Anschuldigungen konfrontiert © BrauerPhotos

Von Alkohol sowie psychischer und physischer Gewalt ist die Rede. In einem "Spiegel"-Bericht heißt es, dass Regisseur Til Schweiger am Set von "Manta Manta – Zwoter Teil" ein "Klima der Angst" verbreitet habe. Sogar von Schikane und einem Schlag ins Gesicht ist die Rede. Schweigers Anwältin dementiert die Vorwürfe. Freunde machen sich große Sorgen, aktuelle Weggefährten schweigen.

AZ-Interview mit Mareile Blendl

Nicht so Schauspielerin Mareile Blendl (47). Die Münchnerin steht aktuell für Disney vor der Kamera, zuvor drehte sie "Das Tagebuch der Anne Frank", "Notruf Hafenkante", "SOKO München", "Beck is back!" oder "In aller Freundschaft". Auch als Prinzessin Diana begeisterte Blendl in einer ZDF-Verfilmung anlässlich des 25. Todestag der Ex-Frau von König Charles. Die AZ hat mit Mareile Blendl gesprochen.

Die Münchner Film- und Theater-Schauspielerin Mareile Blendl
Die Münchner Film- und Theater-Schauspielerin Mareile Blendl © Dirk Ossig

AZ: Welche Missstände in der Filmbranche kreiden Sie an?
MAREILE BLENDL: Wo viel Licht ist, fällt viel Schatten! Das dramatische Gewerbe bietet natürlich die Steilvorlage, um absurde Arbeitsbeziehungen vorzuführen. Kein Wunder, bei einer durchaus fragwürdigen und zuletzt ja auch infrage stehenden Tätigkeit – und so viel zusätzlicher Beleuchtung.

Viele Darsteller wollen öffentlich nicht über Missstände und Skandale am Filmset sprechen

Warum schweigen so viele Darsteller, wenn es um üble Zustände mit Alkohol und Gewalt am Set geht?
Schauspielerinnen und Schauspieler tragen sich selbst zu Markt. Wenn wir mitspielen wollen, müssen wir gefallen. Keine sichere Grundlage, um für die eigenen Bedürfnisse oder Rechte einzustehen. Alkohol und physische Gewalt am Set habe ich zum Glück noch nie erlebt. 

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Ist der Ideal-Zustand erreicht, wenn kein Darsteller mehr mit einem toxischen Regisseur zusammen arbeiten würde?
Es sind toxische Systeme, die missbräuchliche Arbeits-Beziehungen begünstigen. Zu einer Beziehung gehören ja immer zwei. Aber wenn die Machtverhältnisse sehr schief sind, wird eine Seite ohnmächtig. Toll wäre ein sicheres System, in dem allen Mitarbeitenden ihr Teil der Verantwortung für das gemeinsame Ergebnis zugestanden wird.

Macht und hierarchische Strukturen: Schauspieler sind ohnmächtig 

Wie konnten solch hierarchische Strukturen entstehen?
Ich glaube: durch die hohe Spezialisierung aller Beteiligten. Wir sind solche Fachidioten! (lacht) Aber ein Tonmeister ist halt "nur" Spezialist für den Ton, während eine Kostümbildnerin "nur" für die Kostüme zuständig ist und als Schauspielerin kann ich "nur" meinen Text. Ich könnte nicht mal spontan für meinen Kollegen einspringen! Und so ist die Verantwortung für die Gestaltung der Geschichte in die Hände einzelner "Entscheiderinnen und Entscheider" geraten. Damit können übrigens auch Regieführende zu kämpfen haben. Dabei ist aus Studien zu New Work bekannt, dass die Übernahme persönlicher Verantwortung und Identifikation mit dem Sinn der Arbeit entscheidend für die Entfaltung von Potenzial und für eine gesunde Arbeitsqualität ist. 

Wie sollte New Work in Ihren Augen aussehen?
Tja, da sind uns manche Branchen echt voraus, was die Zusammenarbeit angeht. Den Handlungsspielraum für die Mitarbeitenden bei Film oder Theater zu erweitern, erscheint vielen sicher erstmal unmöglich. Und natürlich erfordert das auch ein Mehr an Zeit. Vermutlich vorab, weil am Drehtag selber muss natürlich alles reibungslos laufen. Ich glaube, das würde sich trotzdem am Ende auszahlen. In der Qualität!

Mareile Blendl: Mehr persönliche Einbringung der Schauspieler

Wie könnte eine Mitgestaltung der Darsteller aussehen?
Manchmal ist es ein winziger Twist, mit dem z. B. ein Darsteller mehr aus einem Standardauftritt macht. Oder ein Beleuchter mehr aus einem Standardlicht. Wenn er seinen ganz persönlichen Beitrag zur Geschichte einbringen darf. Aus seiner Erfahrung und Persönlichkeit heraus! Eine Crew, die mit dem Stoff verbunden ist, die wirklich die Geschichte miterzählt, jeder mit seinen Mitteln, die ist doch zu allem bereit. Die Motivation ist eh so hoch in unserer Branche. Ich schätze, da müsste man die Leute anschreien, damit sie auch mal in die Pause gehen!

Wie kann der Film die Glaubwürdigkeit wieder zurückgewinnen?
Die Schauspielkunst kennt einen ganzen Handwerkskoffer voller wirksamer Werkzeuge, um Zusammenspiel zu optimieren. Wir sind DIE Transformationsprofis! Wir könnten das einfach auf unsere Arbeitsbeziehungen anwenden. Ich wette, sobald diese Prozesse in Gang kommen, werden wir New-Work-Avantgarde!

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