Wulff wirbt zum Abschied für tolerante Gesellschaft
Drei Wochen nach dem Rücktritt ist für den bisherigen Bundespräsidenten Christian Wulff die Zeit in Schloss Bellevue jetzt endgültig vorbei. Bei einem letzten Empfang im Präsidialamt warb Wulff am Donnerstagabend nochmals für eine Gesellschaft, in der auch Platz für andere Kulturen ist.
Berlin - Auf die Umstände seines vorzeitigen Abschieds ging er dem Redemanuskript zufolge nicht ein. Der anschließende Große Zapfenstreich blieb überschattet von Kritik und Kontroversen.
Zu der militärischen Zeremonie kamen zwar Bundesratspräsident Horst Seehofer (CSU) als amtierendes Staatsoberhaupt, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und mehrere Minister. Von Wulffs vier noch lebenden Vorgängern war jedoch kein einziger dabei. Auch die Opposition fehlte praktisch komplett. Nach einer Umfrage für die Nachrichtenagentur dpa erwarten drei Viertel der Bundesbürger (73 Prozent), dass Wulff für immer der Politik fern bleibt.
Gegen den Ex-Präsidenten ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover, weil der 52-Jährige in seiner Zeit als niedersächsischer CDU-Ministerpräsident von einem befreundeten Unternehmer geldwerte Vorteile bekommen haben soll. Kritik gibt es vor allem auch daran, dass Wulff trotz einer Amtszeit von nicht einmal 600 Tagen zeit seines Lebens annähernd 200 000 Euro "Ehrensold" pro Jahr bekommen soll.
In seiner vorab veröffentlichten Abschiedsrede äußerte Wulff "Bedauern" darüber, dass er seine Amtszeit nicht zu Ende bringen konnte. Wörtlich sagte er: "Diesen Anlass hatte ich mir für das Jahr 2015 vorstellen können. Nun ist es anders gekommen." Erneut warb er für Toleranz. "Vielfalt, Weltoffenheit, Freiheit und sozialer Ausgleich - das macht unser Land aus und stark." Seinem Nachfolger - vorraussichtlich der frühere DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck - wünschte er "eine glückliche Hand für Deutschland und breite Unterstützung".
Ausdrücklich bedankte sich Wulff nicht nur bei seinen Mitarbeitern und den politischen Institutionen, sondern auch bei "allen Bürgerinnen und Bürgern in unserer so aktiven Bürgergesellschaft". Seine Frau Bettina lobte er mit den Worten, sie habe Deutschland "auf großartige Weise überzeugend repräsentiert". Zu seiner persönlichen Zukunft sagte er nur: "Ich gehe mit dem Gefühl der Neugier und der Vorfreude auf das, was kommt."
Weiterhin Kritik gab es daran, dass der Ex-Präsident auf den Großen Zapfenstreich nicht verzichten wollte. Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast warf ihm im "Hamburger Abendblatt" vor, mit der militärischen Verabschiedung der Bundeswehr zu schaden. Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel empfahl Wulff im SWR, einen Teil des Ehrensolds für gemeinnützige Zwecke zu spenden und "vielleicht selber eine gemeinnützige Arbeit" zu leisten.
Bayerns Ministerpräsident Seehofer als amtierendes Staatsoberhaupt lobte Wulff hingegen dafür, dass er Deutschland "wichtige Impulse" gegeben habe. Wörtlich sagte er: "Sie waren ein guter Vertreter des modernen Deutschlands." Der CDU-Politiker Peter Hintze nahm den bisherigen Präsidenten ebenfalls in Schutz. Die Kritik sei "aus dem Verhältnis herausgeraten", sagte der Wirtschafts-Staatssekretär im Deutschlandfunk.
Fast 80 Prozent der Bundesbürger wünschen sich jetzt eine Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa hervor. Völlig dagegen sind nur 4 Prozent. Nur 15 Prozent halten ein politisches Comeback des CDU-Politikers für möglich.