Wohnen in München: Bonbons für die Mieter
BERLIN Gegen den Wohnwahnsinn: Union und SPD haben sich in den Koalitionsverhandlungen auf ein weitreichendes Paket gegen hohe Mieten geeinigt. Der Mieterverein freut sich, „dass Wahlversprechen tatsächlich mal eingelöst werden“, die Vermieter sind auf dem Baum und warnen, dass Mieter sich nur kurz freuen können, mittelfristig würde das Paket dem Wohnungsbau „den Todesstoß“ versetzen.
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Wie sicher ist es überhaupt, dass die Vorhaben Wirklichkeit werden? Ziemlich sicher. Zunächst gibt es zwar nur eine nächtliche Einigung der künftigen Koalitionäre. Und nicht alles, was in Koalitionsverträgen steht, wird auch Gesetz – siehe die FDP-Steuersenkungen. Aber: Dieses Projekt wollte niemand außer der FDP. Diesmal stehen Union und SPD mit ihrer 80-Prozent-Mehrheit dahinter. Auf dem Weg ins Gesetzesblatt kann es zwar noch Änderungen geben. Und: Der Bund will das Instrumentarium beschließen – wo es tatsächlich angewendet wird, ist Sache der Länder. Also müsste auch Bayern noch grünes Licht geben. Das gilt aber als sehr wahrscheinlich.
Was soll kommen? Erstens: Bei Neuvermietungen darf die Miete maximal zehn Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete liegen (dieser Punkt wird vom Mieterverein am lautesten begrüßt und von den Vermietern am lautesten beklagt). Zweitens: Bestehende Mieten dürfen um höchstens 15 Prozent in vier Jahren steigen (bisher drei). Drittens: Maklerkosten muss künftig der Auftraggeber – also in der Regel der Vermieter – zahlen. Viertens: Sanierungskosten dürfen nur noch zu zehn (bisher elf) Prozent umgelegt werden. Fünftens: Für Geringverdiener wird wieder der Heizkostenzuschuss eingeführt. Und sechstens, für die Bauherrn: Um den Bau neuer Mietwohnungen anzukurbeln, wird eine bestimmte Steuererleichterung („degressive Afa“) wieder eingeführt.
Was heißt das? Der wichtigste Punkt ist die Mietpreisbremse bei Neuvermietungen. „Im Moment wird ja verlangt, was der Markt hergibt. Das sind Fantasiemieten“, sagt Anja Franz, Sprecherin des Münchner Mietervereins. „Und das geht dann eben nicht mehr – das fordern wir seit Jahren!“ Bei zehn Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete ist künftig Schluss. Basis für die Berechnung ist der Mietspiegel (in München derzeit im Schnitt bei zehn Euro pro Quadratmeter), plus allerlei Zu- und Abschläge für Ausstattung und genaue Lage.
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Was sagen die Vermieter? „Das ist das Aus für den Wohnungsbau“, sagt Rudolf Stürzer von Haus + Grund München. Er kann „so viel Unvernunft in der neuen Regierung nur bedauern“. In München gebe es die höchsten Grundstücks- und Baukosten. „Der Quadratmeter kostet 6000 Euro im Neubau und 4000 im Bestand. Wenn ich dafür nur zehn oder elf Euro Miete verlangen kann, mache ich jeden Monat Verlust. Das wird sich kaum jemand antun, und der Wohnungsbau dümpelt sowieso vor sich hin. Dann wird das Angebot noch geringer.“ Mieter-Vertreterin Franz hält das „Gejammer der Vermieter für Panikmache“ – sie verweist darauf, dass der Wohnungsbau künftig ja wieder stärker steuerlich gefördert wird.
Könnten die Mieten dann sogar sinken? Ja – so wie die Einigung formuliert ist. Angenommen, eine Wohnung kostet jetzt 15 Prozent mehr als die örtliche Vergleichsmiete. Bei einem Mieterwechsel dürfte der Besitzer dann nur noch zehn Prozent über der Marke verlangen. Stürzer ist empört: „Das wäre ein Verstoß gegen das Eigentumsrecht.“ Auch Anja Franz vom Mieterverein hält es für denkbar – „wenn auch nicht wünschenswert“ –, dass in die Gesetzesformulierung ein Passus aufgenommen wird, dass in solchen Fällen die Miete auf dem Ist-Stand eingefroren wird.
Was ist mit den Maklergebühren? Die muss künftig der Vermieter bezahlen. Franz freut sich: „Dann ist es so wie überall: Wer etwas bestellt, zahlt dafür.“ Stürzer sagt: „Dann werden die Vermieter eben versuchen, diese Kosten in die Miete einzukalkulieren. Kurzfristig spart der Mieter, mittelfristig zahlt er wahrscheinlich drauf.“ Allerdings, darauf verweist der Mieterschutzbund, ist es verboten, die Kosten direkt nachträglich vom Mieter einzufordern oder sie in den Betriebskosten zu verstecken.
Was sagt die Politik? Die Mietpreisbremse war ursprünglich ein Plan der SPD, CDU-Chefin Merkel hatte ihn aber schon während des Wahlkampfs übernommen. Ausgehandelt haben das Paket jetzt CSU-Minister Peter Ramsauer und SPD-Unterhändler Florian Pronold. Beide waren sich einig: „Das ist gut für die Bürger und den Wohnungsbau.“
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