Wird Claudia Roth vielleicht die neue Kanzlerin?

Erstmals haben die Grünen die SPD in einer Wahlumfrage eingeholt. Das macht plötzlich das Unglaubliche denkbar: Die Grünen-Vorsitzende könnte Chefin einer Koalition mit der SPD werden
BERLIN/MÜNCHEN Gut gelaunt ist sie in der Öffentlichkeit ja praktisch immer. Doch als die Grünen-Chefin Claudia Roth vorgestern Abend beim AZ-Wiesn-Stammtisch zu Gast war, war ihre Stimmung fast schon explosiv gehoben. Die 55-Jährige scherzte, busselte und feierte, was das Zeug hielt.
Kein Wunder: Da wusste Claudia Roth schon von den spektakulären neuen Umfragezahlen, die das Institut Forsa eigentlich erst gestern öffentlich machte: Erstmals sind die Grünen auf Bundesebene genauso stark wie die SPD. Wäre jetzt Wahl bekämen beide 24 Prozent. Gemeinsam langt dies für eine absolute Mehrheit ohne die Linke.
Das ist nicht nur eine weitere Etappe auf dem seit Monaten andauernden Höhenflug der Grünen. Es ist vielleicht eine Zeitenwende: Wenn die Grünen nun an der SPD auch noch vorbeiziehen, so wie es auch in Bayern inzwischen der Fall ist, dann würde plötzlich das Undenkbare möglich: ein Grünen-Politiker als Bundeskanzler. Zieht Claudia Roth schon bald, bei der Wahl 2013, ins Kanzleramt ein, als Chefin einer Neuauflage von Rot-Grün?
Was wie eine Phantasiegeschichte klingt, ist gar nicht so unwahrscheinlich. Nach parlamentarischem Brauch darf der stärkere Partner einer Koalition den Kanzler bestimmen. Entsprechend selbstbewusst gab sich gestern Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin: „Dann stellt der Stärkere den Regierungschef, so einfach ist das.“
Doch soweit ist man noch lange nicht, das weiß auch Claudia Roth: „Wir bleiben auf dem Boden“, sagte sie beim AZ-Abend zu den neuen Zahlen. Ja kein Übermut, bloß keine Übereuphorie, das ist jetzt erste Parteisoldatenpflicht. Zumal da die Grünen das Debakel der FDP als mahnendes Beispiel vor Augen haben. Die konnte nach ihrem Erfolg bei der Bundestagswahl mit 14,6 Prozent vor Kraft kaum laufen – und ringt jetzt mit der Fünf-Prozent-Hürde.
Nicht ganz so tief, aber durchaus etwas gedämpfter würde auch die SPD die Grünen gern wieder sehen: SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann stichelte, die Partei profitiere davon, dass sie zum Sammelbecken von Enttäuschten aus allen Lagern geworden sei. Auch der Parteienforscher Karl-Rudolf Korte bescheinigte den Grünen eine „Popularitätsblase“. Sie beruhe auf „geliehener Macht“, einen Wandel im Parteiensystem bedeute dies nicht.
Das sehen die Grünen anders: Auch Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel empfinde die Grünen mittlerweile als Hauptgegner, so Trittin stolz. Ob bei Themen wie Atom oder dem umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21: Stets lege sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Grünen-Positionen an. Trittin: „Diese Herausforderung nehmen wir gerne an.“ mue