Von der Leyens Zuschuss-Rente: Wer profitiert, wer leer ausgeht

Die von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen geplante Zuschussrente stößt auf Kritik: Sie kostet 3,8 Milliarden, die Höhe der Altersrente steht in keinem Bezug zu den gezahlten Beiträgen.  
Georg Thanscheidt |
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Die von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen geplante Zuschussrente stößt auf Kritik: Sie kostet 3,8 Milliarden, die Höhe der Altersrente steht in keinem Bezug zu den gezahlten Beiträgen.

Berlin - Ursula von der Leyen kann es derzeit niemandem recht machen. Zu gerne würde die CDU-Sozialministerin die sogenannte Zuschussrente einführen – eine Rente, die langjährigen Arbeitnehmern unter bestimmten Voraussetzungen eine Mindestrente in Höhe von derzeit 850 Euro garantieren würde.

Das hört sich zunächst gut an – aber Experten aller Parteien und Fachrichtungen schlagen nach genauerem Hinsehen die Hände über dem Kopf zusammen: Die einen – wie der Sozialverband VdK – bemängeln, dass dadurch Altersarmut nicht verhindert wird, weil ausgerechnet die, die es nötig hätten, keinen Anspruch auf die Zuschuss-Rente hätten. Die anderen – die gesamte FDP, weite Teile der Union und die Arbeitgeber – kritisieren die hohen Kosten für die Renten-Kasse und die Tatsache, dass die Höhe der Altersrente in keinem Bezug mehr zu den Beiträgen steht. SPD und DGB versuchen, sich aus der Debatte rauszuhalten und plädieren dafür, über stärkere Rücklagen der Rentenversicherung mehr gegen Altersarmut zu unternehmen.

Für von der Leyen droht die Debatte gefährlich zu werden. Sie hat nun ihren Verbleib im Kabinett von der Durchsetzung ihrer Rentenpläne abhängig gemacht (AZ berichtete). Trotzdem wird sie – auch aus den eigenen Reihen – weiter scharf kritisiert: CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs hält die Zuschussrente „für derzeit nicht tolerabel“. Sie sei nicht gerecht und leere die Rentenkasse zusätzlich. Die FDP hält an der Beitragsbezogenheit der Rente fest: „Wir lehnen einen Sozialausgleich durch die Beitragszahler ab“, so FDP-Generalsekretär Patrick Döring.

Zuschussrente statt Praxisgebühr?

Von der Leyen soll den Liberalen angeboten haben, die Praxisgebühr abzuschaffen, wenn diese der Zuschussrente zustimmen. Das aber bringt ihre eigene Partei gegen sie auf: „Die Zuschussrente wäre ein ordnungspolitischer Sündenfall und ein Bruch mit jahrzehntealten Prinzipien“, wettert der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn. CSU-Sozialexperte Max Straubinger kündigt an: „Einen Tausch Rente de luxe gegen Praxisgebühr wird es mit uns nicht geben.“

„Rente de Luxe“ ist bei 850 Euro monatlich vielleicht etwas hochgegriffen – aber ein Angriff auf die Rentenkasse ist es allemal, den Frau von der Leyen plant. Im Juli 2013 soll ihre Reform in Kraft treten. Zunächst kostet die Reform nicht viel Geld – 2014 werden es 380 Millionen Euro sein. Im Jahr 2030 rechnet das Ministerium aber schon mit dem Zehnfachen: 3,8 Milliarden Euro. Derzeit zahlt die Rentenversicherung 210 Milliarden Euro jährlich aus, der Bund schießt hier 60 Milliarden zu.

Neues System: Rente nach Punkten

Der Löwenanteil dieser Kostensteigerung – 3,2 von 3,8 Milliarden Euro – wäre auf die Einführung sogenannter „Zuschussentgeltpunkte“ zurückzuführen, das Herzstück der neuen Leyen-Rente. Derzeit bekommt jeder Angestellte Punkte bei der Rentenversicherung – für einen Bruttoverdienst von etwa 30000 Euro im Jahr gibt es einen Punkt. Für einem Punkt gibt es nach heutigem Stand im Alter jeweils 28,07Euro Rente. Von der Leyen will bestimmten Personengruppen mehr Punkte zuteilen, so dass sie zu Rentenbeginn bei 30,3 Punkten landen würden. Das würde nach heutigem Stand eine Rente von 850,52 Euro bedeuten – die Zuschussrente.

Gedacht ist sie für Geringverdienende, Mütter und Väter und pflegende Angehörige. Wer wenig verdient, dessen seit 1992 erworbenen Punkte werden mit 1,5 multipliziert, die von Eltern oder pflegenden Angehörigen sogar mit 2,5 – allerdings nur bis zur 850-Euro-Grenze.

Allerdings sieht der Entwurf viele Voraussetzungen vor: Ab 2013 muss ein Berechtigter mindestens 40 Versicherungsjahre nachweisen und 30 Jahre lang Beiträge gezahlt haben. Ab 2023 sind es 45 Versicherungs- und 35 Beitragsjahre. Zudem müssen die Bezieher der Zuschussrente ab dem Jahre 2019 nachweisen, dass sie mindestens fünf Jahre privat vorgesorgt haben – zum Beispiel durch eine Riester-Rente. 2020 sind es dann sechs Jahre, 2021 sieben – so steigen die Hürden weiter an.

Für Wohlfahrts- und Sozialverbände – eigentlich von der Leyens Verbündete im Kampf gegen die Altersarmut – sind „die Hürden so hoch, dass die Leistungen ins Leere laufen müssen“.

AZ-Check: Die Leyen-Rente – wer profitiert, wer leer ausgeht

Was hätten die Pläne der Sozialministerin für Auswirkungen? Die AZ hat nachgerechnet – auf Basis der tatsächlich gezahlten Gehälter in Deutschland (Basis: Lohnspiegel.de) und nach den Regeln der Rentenversicherung. Der ausgewiesene Rentenanspruch bemisst sich an heutigen Verdiensten und Renten-Regeln und kann durch eine Steigerung der Rente oder der Verdienste auch höher ausfallen.

Lesen Sie hier, wem die Rente nutzt und wem nicht:

 


 

Ein Plus für Mütter

 

Erzieherin, 1955 geboren: Nach dem Abitur und vier Jahren Ausbildung hat sie fünf Jahre Vollzeit gearbeitet. Danach ist sie Mutter zweier Kinder geworden und ist zehn Jahre daheim geblieben. Seit 1992 ist sie wieder als Erzieherin tätig – allerdings nur halbtags. Sie kann voraussichtlich 2021 mit 65 Jahren und 9 Monaten in Altersrente gehen.

RENTEN–ANSPRUCH BISHER: 562,38 Euro
RENTENANSPRUCH NEU: 850,52 Euro

Die Erzieherin bekäme nach der Neuregelung deutlich mehr Rente als bisher. Der Grund: Als Mutter wird ihr Gehalt - nur für die Rentenversicherung – mit 2,5 multipliziert, so dass sie im Bestfall den Rentenanspruch eines Durchschnittsverdieners erwirbt.

 


 

Mehr für Geringverdiener

 

Wachmann, 1948 geboren: Er kann nächstes Jahr mit 65 Jahren und 2 Monaten in Altersrente gehen. Er hat eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen, nach dem zweiten Bildungsweg aber eine Hochschulausbildung nicht beendet. Er kommt zwar knapp auf 40 Versicherungsjahre, allerdings hat er nur 30 Jahre davon Beiträge eingezahlt – das würde derzeit für eine Zuschussrente gerade so reichen:

RENTEN–ANSPRUCH BISHER: 585,26 Euro
RENTEN–ANSPRUCH NEU: 759,29 Euro

Als Wachmann verdient er mit 1665 Euro brutto im Monat deutlich unterdurchschnittlich. Der Leyen-Entwurf sieht vor, dass sein Brutto-Gehalt – nur für die Rentenversicherung – mit 1,5 multipliziert wird, bestenfalls würde er so in diesen Jahren den Rentenanspruch eines Durchschnittsverdieners erreichen. Für die 30 Jahre Einzahlungen fällt der Rentenanspruch höher aus.

 


 

Schnell wieder im Job

 

Bankkauffrau, 1955 geboren: Sie hat eine zweijährige Ausbildung absolviert. Nach der Geburt ihres Kindes hat sie drei Jahre Pause gemacht. Als ihr Sohn in den Kindergarten gekommen ist, hat sie ihre Vollzeit-Stelle wieder angetreten. Voraussichtlich 2021 kann sie mit 65 Jahren und 9 Monaten in Altersrente gehen.

RENTEN–ANSPRUCH BISHER: 1133,10 Euro
RENTEN–ANSPRUCH NEU: 1133,10 Euro

Trotz der Kindererziehungszeiten profitiert die Bankkauffrau nicht von der geplanten Leyen-Rente. Obwohl sie leicht unterdurchschnittlich verdient, hat sie 2021 aus eigener Kraft so viele Rentenansprüche angesammelt, dass sie deutlich über dem geplanten Satz von 850 Euro liegt.

 


 

Mini-Rente bleibt

 

Koch, 1948 geboren: Er kann Ende 2013 nach seinem 65. Geburtstag regulär in Rente gehen. Das hat er sich auch verdient, weil er seit mehr als 46 Jahren in die Rentenversicherung einzahlt. Nach seiner dreijährigen Ausbildung, hat er stets als Koch gearbeitet - für derzeit 1770 Euro brutto.

RENTENANSPRUCH BISHER:852,49 Euro
RENTENANSPRUCH NEU: 852,49 Euro

Der Koch würde nicht von der geplanten Renten-Reform profitieren, weil sein Rentenanspruch derzeit schon knapp über den von Ministerin von der Leyen angekündigten Satz liegt.

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