Stuttgart 21: Verwirrung um Baustopp

STUTTGART - Baustopp am Stuttgarter Bahnhof - oder doch nicht? Vermittler Heiner Geißler: „Es wird nicht mehr gebaut.“ Doch Baden-Württembergs Ministerpräsident Mappus will davon nichts wissen .
Das ging wohl nach hinten los. Der frisch ernannte Schlichter Heiner Geißler war kaum am Stuttgarter Hauptbahnhof angekommen, da verkündete er in einer eilig anberaumten Pressekonferenz den sofortigen Baustopp des umstrittenen Projekts „Stuttgart 21“ bis Ende des Jahres.
„Es dürfen kein vollendeten Tatsachen geschaffen werden, während wir verhandeln“, sagte der 80-jährige Ex-CDU-Generalsekretär und erfahrene Tarifkonflikt-Vermittler. Die Bahnhofsgegner applaudierten und jubelten. Er habe mit Bahnchef Rüdiger Grube und Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus bereits gesprochen, und beide hätten ihm den Baustopp zugesagt. „Der Ministerpräsident war einverstanden. Er ist ja ein gescheiter Mensch“, sagte Geißler.
Kurz darauf meldete sich eine wütende FDP zu Wort: „Wir halten das für einen schweren Fehler. Die FDP-Fraktion trägt diese Entscheidung nicht mit“, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Eine halbe Stunde später das Dementi: „Es gibt keinen Baustopp“, sagte Mappus. Auch Grube widersprach Geißler: „Wir kennen keinen Baustopp.“ Er habe mit Geißler nur einmal telefoniert, sagte Grube. „Dabei ist über Inhalte gar nicht gesprochen worden.“ Bisher hatten Mappus und Grube den Baustopp auch stets ausgeschlossen, weil die Bahn dabei hohe finanzielle Verluste erleiden würde.
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Die Verwirrung in Stuttgart war groß. War das nun eine peinliche Kommunikationspanne? Wollen Mappus und Grube den faktischen Baustopp nur offiziell nicht so nennen? Zunächst beharrte Geißler darauf: „In dieser Frage bestand völlige Übereinkunft, dass für die Zeit der Schlichtungsgespräche völlige Friedenspflicht herrscht. Dies kann man als Baustopp interpretieren.“ Mappus nannte das eine „missverständliche Äußerung“. Später am Abend räumte Geißler doch noch ein, dass es „keinen generellen Baustopp“ gebe. So viel steht fest: Blöder hätte die Vermittlung nicht starten können.
Dabei setzten beide Parteien große Hoffnungen in Heiner Geißler. Das erste Gespräch sei „offen und ermutigend“ gewesen, sagte der Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann. „Das ist ein guter erster Schritt auf dem Weg zur Volksabstimmung“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Diese ist offenbar – entgegen erster Einschätzungen – juristisch doch zulässig. Nach einem Gutachten des Bundestags wäre ein „einseitiger Ausstieg des Landes Baden-Württemberg aus dem Projekt Stuttgart 21 kein Verstoß gegen bundesrechtliche Bindungen“, heißt es darin. Bisher hatten Union und FDP stets auf die Verträge gepocht.
Egal, ob jetzt weitergebaut wird oder nicht: Die Baumfällarbeiten müssen ruhen. Das Eisenbahnbundesamt hat der Deutschen Bahn nämlich unter Androhung eines Zwangsgeldes von 250.000 Euro verboten, weitere Bäume im Stuttgarter Schlosspark abholzen zu lassen. Grund: Dort lebt der seltene Juchtenkäfer, außerdem geschützte Fledermäuse. Bevor weiter gefällt werden kann, muss die Bahn einen Plan zum Käferschutz vorlegen. Und die Verhandlungspartner sollten sich vielleicht mal einen Kommunikationsplan überlegen.