Sparen, sparen, sparen: Seehofers höllische Angst
MÜNCHEN - Während in Berlin und München alle den Gürtel enger schnallen, wartet der bayerische Ministerpräsident ab. Horst Seehofer will sich’s nicht - wie einst Stoiber - mit den Wählern verderben.
Alle sparen: Die Kanzlerin 80 Milliarden bis 2014 im Bundeshaushalt. Münchens SPD-OB 452 Millionen im Stadthaushalt. Sogar die Grünen im Landtag rufen nach dem Rotstift. In Bayern fehlen sechs Milliarden für 2011 und 2012. Nur die CSU, bisher Deutschlands Klassenprimus, wenn es um solide Staatsfinanzen ging, tut nichts. Horst Seehofer hat höllische Angst vorm Sparen.
„Wir leben jetzt von der Hand in den Mund“, kritisieren CSU-Haushälter seine Strategie. Der Ministerpräsident verspricht im Lande allen alles und verpasst den Sparfüchsen in der CSU einen Maulkorb. Statt Grausamkeiten packt Seehofer lieber die Samthandschuhe aus. Denn die Zeiten für die CSU haben sich geändert. Wenn bundesweit die Union auf 33 Prozent und die FDP auf fünf Prozent abgestürzt ist, bedeutet das für Bayern höchste Alarmstufe. Die FDP würde 2013 nicht ein zweites Mal in den Landtag kommen. Die CSU müsste um ihre 41 Prozent, Seehofers Schicksalsmarke, fürchten.
Da will der Ministerpräsident die Bürger nicht mit einer Sparorgie gegen sich aufbringen. So wie Edmund Stoiber 2003 nach der Landtagswahl. 2,5 Milliarden Euro sparte er ein, um einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Weder vor Lehrern noch vor Blinden machte er Halt. Noch nicht mal vor Lederhosen. So dass ihn sogar die Trachtenverbände wegen gestrichener Subventionen boykottierten.
„Wer Stoibers Sparorgie erlebt hat, macht das nicht noch mal“, warnt Vize-Fraktionschefin Renate Dodell. Die Schuld für die Wahlniederlage nach einem halben Jahrhundert Alleinregierung gibt die CSU Stoibers Knauser-Politik.
„In der Fraktion ist kein Sparwille mehr da“, stellen CSU-Haushälter frustriert fest. Intern wird eine „tiefe Veränderung im Denken der CSU“ ausgemacht. „Respice finem – bedenke das Ende“, hat Franz Josef Strauß einst wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Stoiber trichterte der CSU ein, dass Bayern seinen Kindern keine Schulden hinterlassen dürfe. Beide aber gingen davon aus, dass die CSU den Freistaat ewig regiert.
Seehofer hat gelernt: „Wer falsch und ohne Klugheit spart, wird dies teuer bezahlen.“ Im Gegensatz zu Stoiber umschmeichelt er die Beamten. Als Haushalts-Chef Georg Winter die Dienstrechtsreform mit vielen Beförderungen verschieben wollte, legte sich Seehofer quer. Die Arbeitszeitverkürzung der unter Stoiber eingeführten 42-Stunden-Woche will er nicht zurücknehmen. Beides schlägt mit 300 Millionen Euro pro Jahr zu Buche. Als Schulminister Ludwig Spaenle herausrutschte, dass 1000 zusätzliche Lehrerstellen unfinanzierbar seien, bekam er von Seehofer eine auf den Deckel. Fraktionschef Georg Schmid bremste er ein, als der laut übers Sparen nachdachte.
„So was wie bei Stoiber wird’s nicht mehr geben, außer Bayern stünde ein Staatsbankrott bevor wie den Griechen“, heißt es in Seehofers Umgebung. Er setzt aufs Prinzip Hoffnung und eine bessere Steuerschätzung. Gestern triumphierte er schon. Die Konjunkturerholung und die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt ließen die Schulden des Bundesfinanzministers um 20 Milliarden Euro schrumpfen (s. unten). „Seehofer hat das richtige Feeling“, versichert einer seiner Getreuen. „Da wird’s bei uns in Bayern auch nicht so schlimm werden.“ Ein konservativer Haushälter aber fürchtet: „Wie der Herr, so’s Gescherr. Die werden einfach Schulden machen.“ Angela Böhm