Sozialministerin Haderthauer: „Das Geld ist da, Herr Ude!“
Bayerns Familienministerin zu Besuch in der AZ – wie die CSU-Politikerin Christine Haderthauer die SPD bei der Kinderbetreuung in die Pflicht nimmt und einen Notruf für Missbrauchsopfer schaffen will.
AZ: Frau Haderthauer, Sie haben angekündigt, dass Bayern den Bedarf an Kinderbetreuung bis Ende 2012 deckt. In München aber muss man quasi schon bei der Zeugung sein Kind gleich in mehreren Krippen und Kindergärten anmelden, um vielleicht einen Platz zu bekommen. Wie passt das zusammen?
CHRISTINE HADERTHAUER: Wo und ob Kindergarten- und Krippenplätze entstehen, ist nicht meine Verantwortlichkeit. Dafür sind Kommunen alleine zuständig, in München OB Christian Ude. Im Gegensatz zum öffentlichen Image spielt die Kinderbetreuung bei der SPD in der konkreten Umsetzung eine untergeordnete Rolle. Jeden neuen Platz, der mir gemeldet wird, fördere ich mit einen Zuschuss. Ich sage den Münchner Eltern, die sich bei mir beklagen: „Verklagt doch den Ude.“ Das Geld ist da, Herr Ude – sie müssen es nur abrufen!
Ihr Gegner ist derzeit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der nach der Steuerschätzung kein Geld mehr in der Kasse hat. Das Elterngeld will er deshalb auch nicht ausweiten.
Das ist eine Sache der Prioritätensetzung. Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes ist auch beschlossen worden. Die Verlängerung des Elterngeldes ist genauso wichtig. Und die steht im Gegensatz zum Kurzarbeitergeld auch im Koalitionsvertrag.
Von Ihrer Herdprämie können Sie dann träumen?
Das Betreuungsgeld ist keine Herdprämie, es lässt selbstverständlich Berufstätigkeit zu. Es ist ein wichtiger Ausgleich für den Anspruch auf den Krippenplatz. Es wird daher gleichzeitig kommen.
In München leben 12000 Kinder in Armut, oft in Migrantenfamilien. Da schieben die Eltern doch lieber 150 Euro ein und die Kinder lernen kein Deutsch.
Es wäre super, wenn diese Kinder mit drei Jahren in den Kindergarten gehen würden. Das reicht vollkommen. Ab dann gibt’s sowieso kein Betreuungsgeld mehr. Moderne Familienpolitik heißt doch nicht, Kinder nach der Geburt einfach outzusourcen. Wenn man Kinder fragen würde, sagen die doch nicht, ich will so schnell wie möglich in die Krippe! Viele Bildungsversager kommen nicht daher, weil der Lehrer schlecht ist, sondern weil die verlässliche Bindung an die Eltern im Kleinkindalter gefehlt hat.
Also: Frauen zurück an den Herd! Damit wollen Sie sich wohl bei Ihren CSU-Männern beliebt machen?
Das brauch’ ich nicht.
Was ist dann moderne Familienpolitik?
Kinder brauchen beide Eltern. Moderne Familienpolitik darf keine Strukturen schaffen, die Kindern ihre Eltern vorenthält. In Bayern haben wir bundesweit die meisten jungen Väter in Elternzeit. Modern ist es, Familien nicht einseitig zu lenken. Krippe ist okay, elterliche Betreuung aber genauso.
Die CSU will nachts ein Alkoholverbot an Tankstellen. Ist es sinnvoll, zwischen Bier und Schnaps zu unterscheiden?
Ja. Zum Komasaufen wird kein Bier oder Wein genommen, sondern da findet einer Art Kampftrinken mit harten Alkoholika statt. Ärzte haben mir erzählt: Wenn Jugendliche aus dem Koma erwachen und noch die Windel anhaben, protzen sie gegenseitig, wie viel Schnaps geschafft haben.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen sagt, die entsprechenden Gesetze werden nicht umgesetzt, die Bayern passen zu wenig auf ihre Kinder auf. Stimmt das?
Wir haben in Bayern nicht mehr Fälle als anderswo...
Das stimmt doch nicht.
Unser Problem ist, dass für den Vollzug die Kommunen zuständig sind. Ich hab’ nicht umsonst die Vollzugshinweise für Testkäufe geändert, damit die Gemeinden in der Lage sind, auch durch Testkäufe zu kontrollieren, ob in den Tankstellen harter Alkohol an Jugendliche abgegeben wird. Ich fordere OB Ude auf, hiervon endlich Gebrauch zu machen.
Bayern wurde von Missbrauchsfällen erschüttert – allen voran in Ettal. Wie kann man da vorbeugen?
Bisher haben Lehrer an Privatschulen keine Meldepflicht bei einem Missbrauchsverdacht. Das müssen wir ändern. Das Kultusministerium möchte dies wegen des Widerstands der Privatschulen nicht gesetzlich vorschreiben. Ich appelliere an die Träger, sich und ihre Mitarbeiter hierzu selbst zu verpflichten!
Bundesweit kommt eine Notrufnummer für Frauen. Was ist mit Kindern, Jugendlichen oder Missbrauchsopfern?
Wir brauchen eine zentrale Nummer, die jeder kennt, für alle. Es kann nicht sein, dass ein Betroffener erstmal überlegen muss, welcher Notruf für ihn zuständig sein könnte.
Protokoll: bö, tha