Seehofers Spielchen

Auf dem Parteitag läuft sich Ilse Aigner warm. Aber der CSU-Chef zaubert plötzlich Karl-Theodor zu Guttenberg hervor. Mal wieder will er seinen Ex-Kronprinzen zurückholen
Angela Böhm |
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Auf dem Parteitag vor zwei Jahren saß ihm Karl-Theodor zu Guttenberg im Nacken. Nun will er ihn wiedermal zurückholen.
dapd Auf dem Parteitag vor zwei Jahren saß ihm Karl-Theodor zu Guttenberg im Nacken. Nun will er ihn wiedermal zurückholen.

Auf dem Parteitag läuft sich Ilse Aigner warm. Aber der CSU-Chef zaubert plötzlich Karl-Theodor zu Guttenberg hervor. Mal wieder will er seinen gefallenen Ex-Kronprinzen zurückholen.

München - Mit Bedacht hat Horst Seehofer seine Krawatte ausgesucht: Auf bayerisch-blauer Seide reiht sich vom Knoten bis zur Spitze der Buchstabe H. H wie Horst. Wie Held, Hallodri, Hundling. Wie Hauptdarsteller! Diese Rolle will er auf seinem Parteitag nicht aus der Hand geben. Nicht der geringste Eindruck soll aufkommen, dass es ein Duell mit seinem SPD-Herausforderer Christian Ude geben könnte. Und von seiner neuen Kronprinzessin Ilse Aigner will er sich seine Show schon gar nicht stehlen lassen.

Da bringt er seinen Ex-Kronprinzen Karl-Theodor zu Guttenberg wieder ins Spiel, um Aigner ein bisserl zu neutralisieren und die Nachfolger-Riege durcheinander zu wirbeln. Zurückholen wolle er ihn nach der Landtagswahl für eine „maßgebliche“ Aufgabe. Der über seine Doktorarbeit gestürzte Baron ist jetzt so klein, dass Seehofer ihn ertragen kann. In der CSU ist die Euphorie um ihn verflogen.

Irgendwie muss den Ministerpräsidenten die Popularität seiner neuen Superwaffe genervt haben. Ilse Aigner schüttelt Hände. Ilse Aigner wird von Kameras umringt. Ilse Aigner gibt Interviews. Ilse Aigner bittet zu Hintergrundgesprächen. Die Nachfolge-Debatte schiebt sich in den Vordergrund. Spannend ist es auf dem Parteitag nur unter Seehofer. Vom Dirndl-Duell ist die Rede. Jedes Wort wird auf die Waagschale gelegt. Die ausgebootete Christine Haderthauer plaudere aus ihrem Schlafzimmer, über ihre Familie, ihren Mann Hubert und darüber, dass ihr Bett zusammengebrochen sei. Weil Aigner als Single da nichts zu bieten habe. Auch Markus Söder erzähle auffallend über seine Familie. Dass daheim nicht nur sein gemütlicher Korbsessel warte, sondern auch seine Frau mit den drei Kindern.

Aigner sitzt in der ersten Reihe, sucht die Nähe zu Seehofer und zieht gleich ein Blitzlichtgewitter an. Mit der Reihe dahinter müssen sich Söder und Haderthauer begnügen. Sie tobt: „Schon seit sieben Monaten erzähle ich zum Thema Seniorenpolitik die Geschichte von meinem Bett und dass ich mit meinem Mann nun ein hohes, seniorengerechtes gekauft haben. Hey: Ich bin die Sozialministerin.“ Die Ilse sei da noch gar nicht im Gespräch gewesen.

Guttenberg zeigt gleich Wirkung. „Dann muss er es aber besser anstellen als letztes Mal“, giftet Aigner schnippisch. Sein erster Comeback-Versuch war im Januar bitter gescheitert. Haderthauer lehnt sich entspannt zurück: „Da ärgert sich jemand anderes drüber – nicht ich.“ Söder aber winkt mit saurem Lächeln ab: „Das ist doch wieder nur so ein Spielchen.“ Spielchen beherrscht Seehofer perfekt. Schon zum Auftakt des CSU-Treffens hat er den Europa-Kurs der CSU geändert. Griechenland will er nun retten, auch wenn's noch teurer wird. Aber nur, weil Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrem Krisenmanagement bei den Wählern besser ankommt, als er: Und die CSU von ihrer Strahlkraft profitieren kann. „Unsere roten Linien sind ein rotes Springseil“, grinst ein CSU-Grande. Seehofer erzählt von einer neuen Wortschöpfung: „kurvenreiche Geradlinigkeit.“

Die hat ihn wieder nach oben geschraubt. Auf der Großleinwand hinter Seehofer laufen Bayern-Bilder, die Ausschnitten aus Josef Vilsmaiers Sensationsfilm „Bavaria“ gleichen. Der ist ganz nach Seehofers Geschmack. „Wer Bayern liebt, muss für die CSU sein“, ruft er den Delegierten zu. Vilsmaier muss das geahnt haben. „Ich bin aber auch ein Freund vom Christian Ude", stellt er schon im Vorfeld klar.

Seinen Herausforderer versucht Seehofer strikt zu ignorieren. Erst als die Lichter auf dem Parteitag ausgehen, legt er los und verzwergt Ude. Auf Augenhöhe akzeptiert er nur den SPD-Kanzlerkandidaten. „Steinbrück ist kein Macher, das ist ein Schuldenmacher“, hat er gegen ihn gepöbelt. Das war aber schon der einzige Angriff in seiner ruhigen Rede.

Udes Krönung interessiere ihn „null“, schüttelt Seehofer den Kopf. Der habe doch kein Thema mit Herzenswärme und keine Visionen. Das einzige, was der SPD einfalle, redet er sich nun in Rage, sei zu sagen: „Es ist ja nicht alles schlecht. Aber wir machen's besser.“ Das kommt Seehofer gerade recht: „Und wenn die wirklich einen besseren Vorschlag haben“, pumpt er sich auf, „dann mach' ich's!“


Ministerpräsident will seine Nachfolge regeln

Das wird das härteste aller Rennen: Bis 2018 dürfen sich Seehofers Kronprinzessinnen und Prinzen treten, beißen, kratzen und sich in Schach halten. Bis dahin will er in Bayern an der Macht bleiben und dann seine Nachfolge selber regeln. Eine „Welturaufführung“ nennt Seehofer das. Denn keinem seiner Vorgänger war das gelungen.

Je mehr Wettbewerber, desto besser für Seehofer. Da kann ihm keiner gefährlich werden. Gleich fünf potentielle Kandidaten ruft er am Ende des Parteitags aus. Damit es auch richtig spannend wird, nennt er nur vier Namen: Bundesagrarministerin Ilse Aigner, Finanzmister Markus Söder, Sozialministerin Christine Haderthauer und Innenminister Joachim Hermann. Guttenberg ist nicht dabei. Den fünften hält er geheim: „Der Joker“, sagt Seehofer. Nun kann die CSU wieder rätseln. „Ich will den Übergang ohne Streit regeln“, säuselt er, als würde er daraus Passionsspiele inszenieren.

Bisher lief es in der CSU so: Alfons Goppel wollte Franz-Josef Strauß als Nachfolger verhindern. Es misslang. FJS baute eine ganze Riege Kronprinzen auf. Die trauerten wie gelähmt an seinem Totenbett, während sich Max Streibl sofort zum neuen Bayern-Regenten ausrief. Als er gehen musste, setzte Streibl auf CSU-Chef Theo Waigel. In einem Handstreich kam aber Edmund Stoiber an die Macht. Der wollte gar keinen Nachfolger – und musste Günther Beckstein Platz machen. Er hätte sein Zepter lieber an Innenminister Joachim Herrmann abgebenen. Aber Horst Seehofer übernahm.

 

 

 

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