Seehofer: Feiern in Berlin, sparen in Bayern
MÜNCHEN/BERLIN - 80000 Euro müssen Steuerzahler heuer erstmals für das Oktoberfest in Berlin locker machen. Der Ministerpräsident will darauf nicht verzichten – auch wenn daheim drei Milliarden fehlen.
In Bayern muss brutal gespart werden. Im kommenden Jahr klafft ein gigantisches Loch von drei Milliarden Euro in der Staatskasse. Gestern traf sich Finanzminister Georg Fahrenschon mit den Spitzen der schwarz-gelben Koalition zum Krisengipfel, wo der Rotstift im Freistaat angesetzt werden soll (siehe Kasten). Fazit: bei allen. Nur Ministerpräsident Horst Seehofer braucht nicht aufs Geld zu schauen. Er lässt es in der Bundeshauptstadt krachen und spendiert den Berlinern nächsten Mittwoch ein Oktoberfest auf Kosten der bayerischen Steuerzahler. Die müssen für den zünftigen Abend ihrer Staatsregierung mit 2000 Gästen rund 80000 Euro hinblättern.
Sogar den Münchner Brauereien war das zu teuer. Löwenbräu hatte das weiß-blaue Spektakel in der Bundeshauptstadt viele Jahre finanziert, muss jetzt aber auch auf den Cent schauen und stieg aus. Einspringen sollte Paulaner. Doch das Unternehmen der Schörghuber-Gruppe gab sich nicht so spendabel wie es Seehofers Regierungszentrale erwartet hatte: Den ganzen bayerischen Empfang in Berlin wollten die Sieder vom Nockherberg auf keinen Fall sponsern. Nach langem hin und her boten sie an, das Oktoberfest mit einer kleinen Spende zu unterstützen. Nach Information der AZ deckt die knapp 20 Prozent des rund 100000 Euro teuren Festes.
Lange ging’s hin und her. Absagen wollte Horst Seehofer das weiß-blaue Spektakel an der Spree auf keinen Fall: Hier kann er sich vor den Vertretern der Berliner Ministerien und Botschaften groß als Gastgeber feiern lassen. Eingerahmt von den Gebirgsschützen, die die Staatskanzlei extra in Kompanie-Stärke in die Bundeshauptstadt karren lässt.
Was aber noch viel mehr zählt: Im Bierzelt, quasi auf weiß-blauem Territorium mitten in Berlin, will der CSU-Chef traute Harmonie mit der Kanzlerin demonstrieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel steht fest auf der Gästeliste. Vergangenes Jahr hatte sie in letzter Sekunde wegen Afghanistan abgesagt. In der Staatskanzlei geht man davon aus, dass sie diesmal kommt. Und schöne Bilder von trauter Gemeinsamkeit können beim derzeitigen Tief der Union nie schaden.
Wiesn-Wirt Sepp Krätz, der das Berliner Oktoberfest mit seinem Mini-Hippodrom im vergangenen Jahr erst so richtig in Schwung gebracht hatte, passte da. Denn das Bierzelt, das bisher ganz prominent vor dem Roten Rathaus, dem Sitz des regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, thronte, muss auf den Alexanderplatz ausweichen und sich zwischen Bahnhof und Kaufhof zwängen. Vor Wowereits Amtssitz wird nämlich die U-Bahn gebuddelt.
Einspringen müssen nun die beiden Nürnberger Wirte Konrad und Thomas Bösl. Die sind mit der bayerischen Staatsregierung eng verbandelt – als Caterer der weiß-blauen Vertretung in Brüssel. Das Prunkschlösschen neben dem Europäischen Parlament hat nämlich keine eigene Küche. Außerdem richtet das fränkische Wirte-Duo alle zwei Jahre in der belgischen Hauptstadt für die Staatsregierung ein zu hundert Prozent gesponsertes Oktoberfest aus. Sechs Tage haben sie ihr Bierzelt auf dem Alex dann für die Berliner geöffnet. Die Maß kostet 7,80 Euro.
Erst Anfang der Woche hatte Seehofer bewiesen, wie locker er mit Steuergeldern umgeht. In letzter Sekunde sagte er eine Reise mit einer rund 20-köpfigen Delegation nach Ungarn ab. Der gecharterte Flieger blieb am Boden. Die Kosten: 20000 Euro. Aber bei einem Haushaltsloch von drei Milliarden Euro ist das der Staatsregierung offensichtlich auch schon wurscht.
Angela Böhm