Seehofer - der "kastrierte Kater"

Merkels Bekenntnis gegen die Maut vermasselt Seehofer seine Premiere auf dem Gillamoos. Die Opposition überschüttet ihn mit Häme. Der CSU-Chef bleibt stur und hofft auf die Patrioten
von  Angela Böhm
Obi schwoam muss es Seehofer auf dem Gillamoos: Die Kanzlerin lässt ihn mit der Maut abblitzen, die Opposition jubelt und der Applaus für ihn als Bierzeltredner ist mau.
Obi schwoam muss es Seehofer auf dem Gillamoos: Die Kanzlerin lässt ihn mit der Maut abblitzen, die Opposition jubelt und der Applaus für ihn als Bierzeltredner ist mau. © dpa

BERLIN/ABENSBERG Jetzt steht Horst Seehofer saublöd da. Wochenlang hatte Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel geschwiegen zur Pkw-Maut des Bayern-Wahlkämpfers. Die Maut für Ausländer hat er sogar zur Bedingung für seine Unterschrift auf dem Koalitionsvertrag erklärt. Von Stefan Raab in die Ecke getrieben, ging Bundeskanzlerin Angela Merkel im TV-Duell plötzlich auf Konfrontationskurs: „Mit mir wird es keine Maut geben.“

Das war ihr deutlichster Satz im 90-minütigen Wortgefecht mit Peer Steinbrück. Und die beste Vorlage für die Opposition in Bayern gestern beim politischen Schlagabtausch auf dem Gillamoos.

„Seit gestern ist er ein kastrierter Kater“, frohlockt Bayerns oberster Genosse Florian Pronold über Seehofer. Noch nie sei ein bayerischer Ministerpräsident von der Kanzlerin so vorgeführt worden.

SPD-Spitzenkandidat Christian Ude greift, flankiert von einem roten Fahnenmeer im Jungbräuzelt, an: „Das ist ein Wochenbeginn wie beim Räuber Kneißl, der beim Weg zum Schafott gesagt hat: ,Die Woch’ fängt scho a mal guat o.’“ Seehofer führe mit der Maut für Ausländer die Menschen bewusst hinters Licht. „Die CSU steht vor einem Scherbenhaufen.“

Ein „Pickerl“, das ausländische Fahrer schlechter behandelt als die einheimischen, ist nach EU-Recht verboten. Dazu gibt’s einen Präzedenzfall: Belgien hatte 1987 versucht, eine Maut einzuführen und die Inländer dafür steuerlich zu entschädigen (genau das, was Seehofer will). Die EU-Kommission stoppte das sofort.

Seehofer aber bleibt stur und gibt sich bei seiner Gillamoos-Premiere überheblich: „Ich handle seit fünf Jahren nach dem Motto: Mia san mia und uns kann koana was song.“

Er appelliert an den Patriotismus seiner Zuhörer, rechnet ihnen vor, wo sie überall zahlen: „Wenn wir schon so viel zahlen, dann erwarte ich, dass alle bayerische Patrioten sind und dafür eintreten, dass auch die anderen dafür zahlen, wenn sie auf unseren Straßen unterwegs sind.“ Dass es zwischen Angela und ihm kurz vor der Wahl zum Zerwürfnis kommen könnte, schließt er aus: „Wir arbeiten sehr gut zusammen, und so wird’s bei der Maut auch laufen, seien Sie unbesorgt.“

Da brüllt Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, ein paar Meter entfernt im Weißbierstadl ins Mikrofon, so dass es bis zu Seehofer hinüberdringen soll: „Merkel oder Seehofer – einer lügt. Nun ist die Stunde der Wahrheit gekommen, nicht der Märchen.“ Ude twittert: „Und manchmal habe ich den Eindruck, die CSU ist nicht mal mit sich selber koalitionsfähig.“

Die Grünen-Spitzenkandidatin Margarete Bause jubelt im Weinzelt: „Merkel hat dem Seehofer sauber die Lederhosen ausgezogen.“ Auf der Gillamoos-„Liebesinsel“ hat sich die FDP versammelt. „Absolute Mehrheiten führen zu absoluten Irrtümern“, giftet Spitzenkandidat Martin Zeil gegen Seehofer. Der aber kann seine Meinung bekanntlich auch wieder ganz schnell ändern. Schließlich lautet ja eine seiner Grundweisheiten: „Der größte Irrtum ist, an einem Irrtum festzuhalten.“

Die beste Stimmung aber herrscht im Ottenbräu, bei Parodist Wolfgang Krebs: In seiner Paraderolle als Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber macht er gleich den Unterschied zu den echten Wahlkampfrednern nebenan klar: „Hier werden Sie am wenigsten belogen.“

Die Ohrfeige für Seehofer bei der Maut hallt bis Berlin. FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle freut sich offen, dass Merkel den CSU-Chef ausgebremst hat. Dass der immer noch anderer Meinung ist, sei eine „Petitesse“.

CSU-Verkehrsminister Peter Ramsauer wartete mit eigenen Interpretationen des Konflikts auf. Er verweist auf die „großen Gemeinsamkeiten“ von Merkel und Seehofer beim Thema Maut. „Beide wollen keine zusätzliche Belastung der Autofahrer.“ Zum Dissens, ob es denn nun eine Maut geben soll, sagte Ramsauer: „Befassen Sie sich doch nicht immer mit Randbereichen möglicher Unterschiede.“

Führende CDU-Politiker verweisen zufrieden darauf, dass ein Satz bei Seehofers Auftritt am Gillamoos gefehlt hat: Dass er keinen Koalitionsvertrag ohne Maut unterschreibt.

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