Schauspieler Westerwelle: Guido von der Rolle
BERLIN - Am Wochenende ist FDP-Parteitag: Außenminister Guido Westerwelle soll der Partei Mut machen – dabei hat er sich selbst noch nicht gefunden.
Es will einfach nicht klappen. Für einen Kostümwechsel hielt Guido Westerwelle die Bundestagswahl. Raus aus dem ruppigen Oppositionsmantel, rein ins Außenminister-Jackett. Aber es knirscht auf der Bühne. Der Schauspieler Westerwelle ist ein halbes Jahr im Amt und hat seine Rolle noch immer nicht gefunden, die Buh-Rufe werden immer lauter. Am Freitag begann in Köln der Parteitag der FDP. Westerwelle wird am Sonntag reden und eine Steuerreform beschließen lassen, die außerhalb der FDP längst keiner mehr will, und an die ohnehin keiner mehr glaubt.
Der Wahlkampf war sein Leben. Auf den Marktplätzen versprach er 35 Milliarden Euro Steuersenkungen, allen Warnungen zum Trotz, die Haushaltslage würde das nicht hergeben. Er blieb stur, holte für die FDP ein Rekordergebnis, stemmte Schwarz-Gelb. Es hieß, Westerwelle würde bald auf der Beliebtheitsskala in die Höhe klettern. Wie alle Außenminister zuvor.
Aber heute ist Westerwelle der Spitzenpolitiker mit den schlechtesten Werten: Mit minus 1,1 beziffert das aktuelle Politbarometer seine Popularität, der letzte Platz knapp hinter Gregor Gysi.
Erst das Steuer-Geschenk für die Hoteliers. Dann das Ablenkungsmanöver, als er einen Rhetorik-Krieg gegen Hartz-IV-Empfänger startete. Einem Oppositionsführer hätte man das verziehen, einem Außenminister nicht. Als nächstes kam der Vorwurf, Westerwelle habe auf Staatsbesuchen Familienmitglieder mitgenommen – zu deren Geschäftsinteressen. Die Umfragen funkten jeden Monat schlechtere Nachrichten – für ihn selbst und für seine Partei.
Die FDP ist abgestürzt. Nur noch acht Prozent würden sie wählen, schon wieder minus einen Prozentpunkt, meldete gestern das Politbarometer. Viele kreiden ihr an, Wahlversprechen zu brechen: Das aktuelle Steuerkonzept hat die Entlastungen zusammengestrichen. Nicht 35, sondern 16 Milliarden Euro sollen sie jetzt betragen und auch nicht aus radikalen drei Stufen ebstehen, sondern aus softeren fünf. Generalsekretär Christian Lindner, der am Wochenende in Köln auch offiziell gewählt wird, muss erklären, man habe erst in der Regierung richtig von der Lage der Staatsfinanzen erfahren.
Ganze zwei Prozent der Deutschen glauben noch an Steuersenkungen, 61 Prozent halten sie sowieso für falsch, ergab eine neue Umfrage. Selbst unter FDP-Anhängern wackelt die Zustimmung, 52 Prozent sprechen sich noch für Entlastungen aus. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bremst massiv, und er weiß, dass er viele in der Union hinter sich hat.
Dem Finanzminister zum Trotz beschließt die FDP nun ihr abgespecktes Steuerkonzept. Sie will noch vor der NRW-Wahl Pflöcke einschlagen. Und Westerwelle soll den Delegierten erklären, wie er sich die Zukunft der Partei vorstellt. Der Zeitplan wurde allerdings etwas durcheinandergewirbelt: Als Außenminister nimmt er am heutigen Samstag – dem Haupttag des Parteitages – an der Trauerfeier für die Soldaten teil. Zu seiner Parteiversammlung stößt der Parteichef erst ganz am Schluss. Wieder mal ein Wochenende der Rollenwechsel.
rg